SWR2 Wort zum Tag

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Heute gibt Papst Benedikt XVI. die Verantwortung seines Amtes aus der Hand. Dieser Rücktritt macht das bislang fast Undenkbare möglich: dass das höchste Amt in der katholischen Kirche seine Zeit und seine Begrenzung hat, weil der Inhaber dieses Amts an Grenzen stößt - so wie jeder Mensch. Dass Papst Benedikt daraus ehrlich und demütig persönliche Konsequenzen zieht, wird ihm mit Hochachtung beantwortet. 

Aber nicht nur die schwindenden Kräfte des Alters machen die Grenzen dieses Amtes aus. Es ist vielmehr die Komplexität unserer Zeit und ihrer Probleme, es sind auch die vielen anstehenden Reformen in der katholischen Kirche selbst, die einen Amt und seinen Träger überfordern, wenn alles hierarchisch auf sie ausgerichtet ist. Und es ist ein verändertes Selbstbewusstsein der Menschen, das neue Formen des Leitens verlangt, 

Dabei erwarten viele - keineswegs nur Katholiken -, dass sich die Kirche zu Wort meldet zu den großen Menschheitsfragen - gerade weil der einzelne Mensch immer ratloser wird und nach Orientierung sucht. Dass weltweit immer mehr Menschen verelenden, während die Geldgier anderer immer noch größer wird; dass die einen an Rüstungsexporten verdienen, die in anderen Ländern Leid und Tod bringen; dass wir die Natur ausbeuten und eine Klimakatastrophe in Kauf nehmen und unseren Kindern und Enkeln aus kurzsichtigen Interessen heraus eine unbewohnbare Erde hinterlassen - auf solche Fragen erwarten viele Menschen von der Kirche deutliche und engagierte Antworten. Und sie erhoffen sich Hilfe, wie sie in ihrem persönlichen Leben einen Sinn finde und einen Halt angesichts von Leid und Tod. 

Ein Großteil der Menschen ist nicht ethisch und religiös desinteressiert. Was sie allerdings zumeist nicht mehr akzeptieren, sind Verlautbarungen aus einsamer Höhe, die mit ihren Fragen und ihrem Leben wenig zu tun haben.

Die Begrenzung des Papstamtes durch Benedikt XVI. ist symbolstark. Sie kann wieder in Erinnerung rufen, dass das Zweite Vatikanische Konzil die Kollegialität der Bischöfe in der  Leitung der Kirche betont hat. Sie kann auch darauf hinweisen, dass jedes Leitungsamt umso stärker, umso überzeugender wahrgenommen wird, je mehr es den Dialog sucht. Je mehr es die Menschen in ihren Erfahrungen ernst nimmt. Auch in ihrer ethischen und religiösen Kompetenz. Auf einander hören und sich gegenseitig zu verstehen suchen; an den eigenen Grenzen den Reichtum der Anderen wahrnehmen; das gemeinsame Ringen um die Wahrheit höher achten als den vermeintlichen Besitz der Wahrheit - das ist nicht leicht. Aber ich vertraue darauf, dass die Kirche diesen Weg gehen lernt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14779
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