SWR1 Begegnungen

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Arzt und Christ

Lothar Bergmann ist Medizin-Professor, er behandelt Menschen mit Tumor- und Krebserkrankungen. Die existentielle Frage nach dem „Warum", nach dem Sinn des Lebens hört er ganz oft und stellt sie sich auch selbst:

Warum ist denn das so? Oder steht eine Macht dahinter, die das Ganze so gewollt hat, so gebaut hat, oder was steht am Ende?

Der Mediziner Lothar Bergmann hat täglich mit naturwissenschaftlichen Fakten zu tun und ist gleichzeitig gläubiger Christ. Ich treffe ihn an einem Freitag nachmittag.Für viele andere Menschen beginnt da schon das Wochenende, aber Lothar Bergmann wartet noch auf die Untersuchungswerte aus dem Labor. Ich hab den Eindruck, er kümmert sichrührend um die Patientenund will für sie da sein. „Entschuldigung" sagt er, „ich muss gerade noch die Therapie für das Wochenende absprechen". Ich merke schnell -Arzt-Sein ist für den 63-jährigen nicht einfach nur ein Job:

 Der Arzt hat schon mehr Bedeutung als nur die körperliche Heilung. Arzt sein bedeutet auch den Menschen als Ganzes zu sehen, auch in seiner persönl. Situation. Und ich glaube auch als Arzt und Christ, als jemand, der wie ich sehr viel auch mit schwerstkranken Patienten zu tun hat, die den Tod vor Augen haben, wo man häufiger eine gewisse Sterbebegleitung auch hat, ist es ganz wichtig, auch diesen inneren Background auch zu haben, dass man in dem Menschen etwas mehr sieht, als jemand, der mit ner konkreten Situation zu einem kommt, was zum Arzt sein mit dazu gehört.

Gar nicht so leicht, den Menschen zu sehen, und nicht immer nur die zerstörerische Krankheit. Lothar Bergmann versucht, seine Patienten würdevoll zu behandeln. Interessant - denke ich während unseres Gespräches - wenn es um das Verhältnis zwischen Arzt und Patient geht, spricht Lothar Bergmann von sich in der dritten Person, gerade so, als wolle er klar in seiner Rolle als Arzt erkennbar bleiben. Seinen persönlichen Glaubenals Christ, seine Hoffnung, das stülpt er niemand über: 

 Nicht bei jedem Patienten ist es auch gefragt, dass man auf den Sinn des Lebens, auf den Glauben eingeht, es gibt aber auch Patienten, bei denen das durchaus auch eine größere Rolle spielt, und wo man auch offen miteinander drüber reden kann.

Kann erbei seiner täglichen Arbeit mit todkranken Menschenüberhaupt noch an einen liebenden Gott glauben?Lothar Bergmann kennt auch die Zweifel an Gott:

Wenn man eine junge Frau sieht, die eine todkranke Situation erfahren muss, mit begrenzter Lebenserwartung, die vielleicht kleine Kinder zu Hause hat, das ist manchmal schon schwer und das macht einem auch betroffen. Und natürlich kommen dann auch Fragen auf, wie kann Gott so etwas zu lassen, was ist der Sinn dahinter des Leides, ist ja eine uralte Frage, auf die es nicht immer eine Antwort gibt.

In diesen Situationen will Lothar Bergmann nicht einfach vertrösten. Er will mit den Patienten gemeinsam ihre Verzweiflung und ihre Fragen aushalten. Und ihnen damit zeigen: Gott lässt die Menschen im Leid nicht allein. Diese Hoffnung hat ihn und seine Familie auch durch eine schwere Zeit getragen:

Meine Frau hat selbst vor drei Jahren Brustkrebs gehabt, es gibt immer auch im persönlichen Leben Tiefschläge, und da stellt man sich auch manchmal die Frage: Warum muss das sein, warum muss das jetzt mich treffen, könnte es nicht auch anders laufen, Und so manchmal hab ich den großen Wunsch - ich möchte ihm mal begegnen und vieles fragen und hoffe, dass ich irgendwann auch mal Antworten bekomme.

 Engagement als Christ

Lothar Bergmann hat einen richtig vollen Terminkalender. Er ist Professor für Onkologie an der Frankfurter Uniklinik. Und er ist stellvertretender Dekan - er ist mitverantwortlich für die Zukunft der Forschung und die Organisation der Klinik. Während ich mich mit ihm unterhalte, wird er zu einem Patienten gerufen, muss Entscheidungen treffen. Lothar Bergmann ist jemand, der Verantwortung übernimmt. Auch in der Katholischen Kirche. Er engagiert sich in seiner Pfarrgemeinde, obwohl seine Freizeit sehr knapp bemessen ist :

Als gläubiger Christ und als Angehöriger einer Pfarrei finde ich, sollte man sich auch für die Pfarrei und für die Kirche engagieren und das kostet natürlich Zeit, ich denke, es sollte eine Vorbildfunktion haben, man ist engagiert, vielleicht engagiert ihr Euch auch mit, in der ehrenamtlichen Tätigkeit.

Allerdings, die Bereitschaft, sich in der Kirche zu engagieren, ist bei den meisten Menschen eher gering. Als Arzt ist Lothar Bergmann gewohnt, nüchtern die Schwachstellen zu diagnostizieren. Seiner Ansicht nach steckt die Katholische Kirche in Deutschland in der Krise:

Ich sehe momentan keine Bereitschaft für einige grundlegende Reformen, ich seh eher ein zunehmendes Abwenden von Gläubigen von der Amtskirche, nicht vom Glauben, aber von der Amtskirche, sie zeigt bei uns zu wenig Perspektiven auf für die Zukunft.

Und das ist nicht seine Privatmeinung. Denn als Pfarrgemeinderatsvorsitzdender spricht er mit vielen Gläubigen. Dabei wird das Hauptproblem deutlich benannt:

 Hier glaube ich, spielt auch die mangelnde Glaubwürdigkeit der Kirche ein ganz erhebliche Rolle, das auf der einen Seite die Verkündigung steht und auf der anderen Seite die Realität eine ganz andere ist.

Ich spüre, Lothar Bergmann will nicht resigniert wirken. Weil er davon überzeugt ist:Die christliche Botschaft ist wertvoll. Gerade in seiner Arbeit als Medizinervertraut er darauf, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist.  Diese Hoffnung trägt ihn im Alltag. Sein Glaube ist für Ihn eine Kraftquelle. Und die Musik. Wenn er die Zeit findet zum Orgelspielen, dann kann Lothar Bergmann seine Seele auftanken.

 In Zeiten, wo ich mehr freie Zeit zur Verfügung hatte, ist es für mich auch eine Hauch Spritualität gewesen, und auch ein Bereich, wo man manchmal auch seine persönliche Stimmungslage mit hineinbringt, gerade wenn man alleine in der Kirche sitzt und Orgel spielt, mit dem man sich innerlich auch wieder zum Ausgleich bringen kann.

 

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14771
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