SWR3 Gedanken

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Ob es sie wirklich gegeben hat, ist historisch umstritten.
Aber wenn die Geschichte erfunden sein sollte,
ist sie im Grunde sensationell genug.
Es geht um die Heilige Frau, die die katholische Kirche heute feiert.
Scholastika heißt sie - übersetzt wäre das „die Gelehrte"
oder auch „die Lehrerin".
Heutzutage ja ganz üblich - Frauen als Grundschullehrerinnen sowieso;
aber eben auch als Universitäts-Professorin
oder sogar Kultusministerin.
Aber im fünften und sechsten Jahrhundert schon ziemlich neu.

Diese Scholastika also - die Geschichte geht noch darüber hinaus:
Sie soll die Schwester des heiligen Benedikt gewesen sein.
Je nachdem betrachtet man den als Vater aller abendländischen Klöster -
weil er die Idee des Mönchslebens nach Europa gebracht hat.
Oder sofort als Vater von Europa - weil nämlich die Mönche
die europäisch-westlich-christliche Kultur überall verbreitet hätten.
Beinah also ein Vater von allem.

Und Scholastika, seine Schwester, soll seine Lehrerin gewesen sein -
das ist doch wirklich kaum vorstellbar in der Männer-geprägten Welt
der Antike und des Mittelalters.
Und eine Lehrerin, die mit allen Tricks arbeitet, noch dazu.
Bis zu ihrem Tod lebte sie in einem Nonnenkloster,
ganz nah bei Benedikts Kloster Montecassino.
Eines Tages ist er bei ihr zu Besuch.
Sie bittet ihn, noch ein paar Tage zu bleiben;
er lehnt ab, weil es gegen die Mönchsregel verstößt.
Da bittet Scholastika Gott um ein Unwetter;
und das hindert Benedikt an der Heimkehr.
Er bleibt und sie verbringen die nächsten drei Tage und Nächte
in andächtigen Gesprächen über die Freuden des Himmels - 
viel soll er dabei gelernt haben von seiner Schwester.

Scholastika - nur eine Frau - eine wirkliche Lehrerin.
Warum hat wohl noch niemand sie zur Mutter Europas ernannt...

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