SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Heute ist Mariä Lichtmess. Früher endete mit diesem Tag die Weihnachtszeit. Ein letztes Mal geht es um das kleine Kind Jesus. Mit diesem Kind kommen Josef und Maria in den Tempel, um Gott zu loben und ein Opfer darzubringen. Im Tempel halten sich zu diesem Zeitpunkt zwei alte Menschen auf. Simeon ist der eine, ein frommer und gerechter Mann. Er ist sich ganz sicher, dass er noch vor seinem Tod den verheißenen Messias zu Gesicht bekommt. Die Prophetin Hannah ist die andere, eine 84-jährige Witwe, die Tag und Nacht im Tempel ist, um zu beten und zu fasten. Hannah und Simeon warten beide auf die Rettung ihres Volkes durch Gott, oder wenigstens darauf, dass jemand diese Rettung ankündigt. Sie selber können dazu nichts beitragen, außer zu warten und zu beten. Und plötzlich betreten Maria und Josef den Tempel. Simeon geht auf sie zu. Er nimmt das Kind in seine Arme und preist Gott. Er sagt: „Meine Augen haben das Heil geschaut, das du geschaffen hast, damit alle Völker es sehen!"Auch Hannah hält es nicht mehr an ihrem Platz, sie kommt dazu, preist Gott und erzählt allen Umstehenden, dass dieses Kind sie erlösen wird.
Erstaunlich, wie diese beiden genau erfassen, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, auf den sie gewartet haben. Und dass sie auf dieses Kind gewartet haben.
Wir Christen feiern an Weihnachten, dass Gott in diesem Kind Jesus zur Welt kommt. Wir wissen auch, wie Jesu Leben weitergeht. Irgendwie ist das für uns Geschichte. Trotzdem warten wir noch auf sein Kommen. Damit meine ich nicht den nächsten Weltuntergangstermin. Nein, ich glaube, dass Jesus immer wieder bei mir ankommen will, schon zu meinen Lebzeiten. Aber auch das muss ich erwarten können. Wenn ich bete, dann suche ich von mir aus die Nähe Gottes, aber ich kann sie - wie in jeder guten Beziehung - nicht erzwingen. Ich kann mich bereit halten und warten.
Menschen, die lange genug warten, wissen manchmal ganz plötzlich - und auch ganz sicher: „Das ist es jetzt!" Oder so wie Simeon: „Dieses Kind wird die Rettung bringen!"
Manches Warten sortiert, lässt mein Für und Wider ins richtige Gleichgewicht rutschen oder macht mich sensibler für Hinweise, die von außen, vielleicht sogar von Gott kommen. Vielleicht kommt mir mit einem Mal in den Sinn, was der Freund am Vortag geäußert hat, und ich weiß, stimmt, er hat recht. Vielleicht habe ich im Moment das Gefühl, dass ich einfach gut aufgehoben bin, ohne dass ich darüber nachdenke. Das ist für mich die größte Aufgabe: auf Gott zu warten, ihn zu Wort kommen lassen. Da brauche ich noch Zeit und auch noch Übung

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