SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Demut-  das ist eine Tugend, die recht altertümlich daher kommt. Aber ich entdecke sie gerade neu für mich. Zum Beispiel, wenn ich zu einem Abendtermin in den Nachbarort muss und - als Neuzugezogener recht hochmütig - denke, da muss ich nur mit dem Rad auf dem Feldweg einmal über den Berg und in 10 Minuten bin ich da. Im Dunkeln fahre ich querfeldein, dann komme ich wieder am Fuß des Berges an und muss doch die Straße nehmen. Zu meinem Termin komme ich zu spät, abgehetzt, verschwitzt und auch nicht mehr ganz sauber, aber demütig. Ich kann mir meinen Hochmut eingestehen und - in diesem Fall - auch über mich lachen.
Normalerweise fällt mir Demut aber nicht so leicht, weil ich mich nur schwer damit abfinden kann, dass ich nicht perfekt bin. In meinen Wunschträumen bin ich doch viel großartiger. Manchmal habe ich zum Beispiel das Gefühl, dass ich jetzt der einzige bin, der meinen Freund für immer auf den richtigen Weg bringen kann. Doch dann holt mich die Wirklichkeit ein und ich merke, wie vermessen mein Denken ist. Warum soll ausgerechnet ich so genau wissen, was für meinen Freund richtig ist.
Demut hat für mich viel mit der Wirklichkeit zu tun, mit einem realistischen Blick auf mich selbst und meine Fähigkeiten, zum Beispiel wenn ich jonglieren übe. Da merke ich, dass ich nie über drei Durchgänge hinauskomme. Dauernd muss ich mich nach heruntergefallenen Bällen bücken. Das muss ich akzeptieren. Die Demut sorgt dafür, dass ich trotzdem weiter mache, dass ich noch mal etwas ausprobiere, nicht mit dem Üben aufhöre. Ich bin eben noch kein Jonglierkünstler.
Ich gestehe mir ein, dass ich nicht alles kann. Ich lerne, mit dem zufrieden zu sein, was ich zustande bringe. Mit etwas Demut kann ich anderen ihre Aufgaben und ihre Zuständigkeit lassen. Ich bin nicht für alles verantwortlich, ich muss die Welt nicht alleine retten.
Demut ist Realitätssinn und gesunde Selbsteinschätzung. Ich habe meine Fähigkeiten und meine Aufgaben, ich kann was und darf mir einiges zutrauen, oft sogar mehr als ich denke. Aber mir sind auch Grenzen gesetzt, weil mir manche Fähigkeiten fehlen, viele Aufgaben nicht von mir allein gelöst werden können oder ich nicht der richtige dafür bin. Und als Christ glaube ich, vieles darf ich auch Gott überlassen. Nicht weil ich mich rausreden will, sondern weil ich mich nicht mit Wunschvorstellungen und unrealistischen Aufgaben überfordern muss. Mein Vertrauen auf Gott entlastet mich. Oder wie es mal jemand ausgedrückt hat: Ich weiß auch nicht, wie Gott ist, oder wer er ist. Nur eines weiß ich: Ich bin's nicht.
 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14656
weiterlesen...