SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Gibt es so etwas wie eine Führung Gottes im Leben? Vor einer Weile habe ich Johanna wieder getroffen. Seither frage ich mich das. Gott hat einen Weg für mich, sagt sie. Wie kann sie da so sicher sein?
Vor 20 Jahren haben Johanna und mein Sohn einträchtig in der Sandkiste Burgen gebaut und feine Sandkuchen gebacken. Das war in Wien, wo ich damals mit meiner Familie lebte. Heute wohnt Johanna in Serbien. Die Liebe hat sie dorthin geführt. Ihre Entscheidung, nach Serbien zu ziehen, hat bei ihren Freunden großes Unverständnis ausgelöst. Serbien, das ist doch noch europäisches Entwicklungsland. Du hast in Österreich alle Möglichkeiten zu studieren und Karriere zu machen. Warum tust du dir das an? Du wirst dort arm sein.
Ja, das stimmt. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Serbien liegt bei 370 Euro im Monat.
Johanna hat einen Pastor geheiratet. Mit ihm teilt sie das Leben ihrer serbischen Landgemeinde. Und das bedeutet: auch im strengen Winter nur abends Heizung, Autofahren nur im allernötigsten Fall, Leben von dem, was der Garten im Sommer an Früchten wachsen lässt.
Vor ein paar Wochen habe ich Johanna getroffen. Ich hab sie gefragt: Johanna, wie schaffst du das nur? So in Armut zu leben, dich so zu bescheiden, wo du doch im Wohlstand aufgewachsen bist?
Sie hat gelacht und gesagt: Es geht. Wir schaffen das zusammen. Wir haben einen Auftrag dort. Wir wollen das Leben der Menschen teilen. Und das geht nicht, wenn wir uns nach westeuropäischen Lebensstandards sehnen würden. Ja, es ist manchmal hart und dann komm ich zum Auftanken nach Wien. Aber dann geh ich auch wieder gern. Es ist Gottes Weg für mich.
Seit ich sie getroffen habe, staune ich über diese junge Frau mit ihren 23 Jahren. Über ihre Entschlossenheit, ganz anders zu leben als die meisten ihrer Generation. Und über ihre Gewissheit, einen Weg zu gehen, auf dem sie sich von Gott geführt weiß.
Macht Gott das wirklich? Sind da nicht meine Wunschvorstellungen verschmolzen mit der Vorstellung, dass Gott führt? Und wie erkenne ich denn bloß, welchen Weg Gott für mich vorgesehen hat? Ich komme ja immer wieder an Wegkreuzungen, wo ich mich dann für eine Richtung und gegen die andere entscheiden muss. Schön wäre es, wenn es so gehen könnte wie es die Bibel in einer Geschichte erzählt. In der Wüste zwischen Ägypten und Israel sind orientierungslose Flüchtlinge umher geirrt. Vom Baby bis zum Greis. Getragen, gezogen, getrieben. Immer auf der Flucht vor den Kriegern des Pharao. Der Magen hat geknurrt und die Kehle gebrannt. Welches ist der richtige Weg für sie? In der Wüste stehen keine Wegweiser. Aber Gott lässt die Verzweifelten nicht im Stich und führt. Durch Tag und Nacht.

Wie oft sind Entscheidungen nötig. Manchmal weiß ich genau, wohin es geht. Mein Weg liegt eindeutig vor mir und ich gehe fröhlich und überzeugt die nächste Etappe. Aber es gibt auch Tage, an denen gar nichts klar ist. Ich weiß, ich sollte dringend eine Entscheidung treffen. Aber ich zaudere und zögere, bin mir unsicher. Da wäre es mir lieb, wenn mich jemand an die Hand nähme und sagen würde: hier geht's lang. Zum Glück habe ich immer wieder erlebt, dass mir Menschen mit ihrem Weitblick auf den Sprung geholfen haben. Gottes Rat habe ich dann durch Gespräche und gemeinsames Beten erkannt. Aber manchmal bleibt auch nach vielem Reden und Beraten etwas offen.
Da wäre es doch zu schön, wenn ich ein klares Zeichen von Gott bekäme.
So wie damals die Flüchtlinge in der Wüste. Die sich samt ihrem Anführer Mose nicht mehr auskannten. Und dann von zwei geheimnisvollen Säulen geführt wurden. Am Tag durch sichtbare Wolken und in der Nacht durch loderndes Feuer. Solange, bis sie ihr Ziel erreichten. Beneidenswert. Menschen suchen Orientierung und Gott zeigt, wo's langgeht.
Ich glaube schon, dass das heute auch noch so ist. Vermutlich nicht in unerklärlichen Naturerscheinungen. Aber doch anders. Zum Beispiel wenn in schwierigen Entscheidungen an Wegkreuzungen das Herz gewiss wurde. Entschlusskraft aufgekeimt ist. Wenn plötzlich der nächste Schritt klar war, vielleicht zuerst noch ein bisschen unsicher. Aber immerhin: so könnte es gehen. Gott schenkt mir klaren Verstand, die eine oder andere Lebenserfahrung und Selbstvertrauen. Und dann sagt er: Geh los!
Ich bin mit dir auf deinem Weg. So hat er sich auch den Flüchtlingen damals in der Wüste vorgestellt, von denen die Bibel erzählt. Ich bin bei dir. Auf den goldrichtigen Wegen und auch entlang der Abgründe. Auch in dunklen Tälern lasse ich dich nicht allein. Ich sorge für dich. Bleib mit mir in Verbindung und bedenke das, was Du tust. Und was du lässt. Aber triff auch wirklich eine Entscheidung. Und bleib nicht tatenlos stecken.
Gott führt meinen Weg. Ich glaube: Das ist keine Einbahnstraße, die mich abhängig macht wie eine Marionette. Von einer göttlichen Macht, die willkürlich einen Plan für mich entwickelt hat. Den ich suchen oder auch verfehlen kann. Denn Gott lässt sich auch von mir beeinflussen, durch meine Gebete, meine Fürbitten, meine Klagen und mein Lob. Hat nicht Jesus selber seine Anhänger ermuntert: „Bittet, so wird euch gegeben?" Und oft erst im Rückblick kann ich das wirklich sehen und auch annehmen. So wie es in einem Lied heißt: „Wir haben Gottes Spuren festgestellt auf unseren Menschenstraßen, Liebe und Wärme in der kalten Welt, Hoffnung, die wir fast vergaßen. Zeichen und Wunder sahen wir geschehn, in längst vergangnen Tagen. Gott wird auch unsere Wege mit uns gehn, uns durch das Leben tragen."

Aber hilft ihnen Gott den Weg zu finden. Am Tag mit einer gut sichtbaren Wolkensäule und in der Nacht weithin erkennbar in einer lodernden Feuersäule. In diesen wunderbaren Erscheinungen ist Gott selbst und führt. So lange, bis sie am Ziel sind.
Wolken- und Feuersäulen habe ich noch nie auf meinen Lebenswegen entdecken können. Aber manchesmal doch Zeichen, die ich deuten könnte als Gottes Wegweiser.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14651
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