SWR2 Wort zum Tag

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Zu den Motiven, die Menschen an die katholische Kirche binden oder sich von ihr abwenden lassen, hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart eine empirische Untersuchung in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen der Presse vorgestellt. Über 3.000 Katholiken des württembergischen Bistums wurden befragt, außerdem etwa 1.000 Nichtkatholiken. Sie hätten noch niemals ernsthaft daran gedacht, aus der Kirche auszutreten, haben über drei Viertel der Befragten angegeben. Das ist die eine Seite der Medaille, die ermutigende. Die Kehrseite heißt aber: Fast ein Viertel der Katholiken hat schon einmal ernsthaft erwogen, die Kirche zu verlassen. Das muss für jeden Verantwortlichen ein Alarmsignal sein, und auch für alle, die kein Amt haben und dennoch sagen: Wir sind Kirche. 

Die Gründe dafür, die Kirche zu verlassen, sind unterschiedlich. An erster Stelle steht: Entfremdung. Manche geben finanzielle Gründe an, andere äußern Unverständnis über die Moral- und Sittenlehre. Negative persönliche Erfahrungen spielen eine Rolle, auch Glaubenszweifel. Viele sind über den sexuellen Missbrauch erschüttert. Aber der Hauptgrund ist: Die Kirche ist ihnen fremd geworden. 

Die Kirche sei ihnen vor allem fremd geworden, weil sie zu abgehoben und zu lebensfern kommuniziere, sagen viele. Sie solle in ihrer Kommunikation viel offener sein und ihren Mitgliedern besser zuhören.

Gewünscht wird eine Kirche des Dialogs. Dialog nach innen und Dialog nach außen, in die Gesellschaft hinein. Nicht der Glaube steht in der Kritik, sondern die Art, wie er oft vermittelt wird. Die Menschen wollen nicht belehrt und bevormundet werden, sie wollen dass man ihnen zuhört und sie ernst nimmt. Sie sind - vielleicht mehr denn je - darauf angewiesen, dass sie in ihren Hoffnungen bestärkt und in ihren Sorgen verstanden werden. Viele sind dann vielleicht wieder eher bereit, ihrerseits zuzuhören. 

Deutlich tritt in der Untersuchung auch das Bedürfnis zutage, in der Kirche authentischen Menschen zu begegnen - Menschen also, denen man abnimmt, was sie sagen, weil sie zu leben versuchen, was sie glauben. Ich habe vieler solche Menschen in der Kirche hierzulande und auch in anderen Ländern kennen gelernt. Sie müssen den Dialog nicht eigens betonen und üben, sie leben ihn. Sie stimmen mit sich überein und können deshalb auf Augenhöhe mit ihren Mitmenschen sein. In ihnen hat die Kirche ein glaubwürdiges Gesicht. Ich weiß freilich: das ist auch eine Anfrage an mich selbst. Denn auch ich bin Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14637
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