SWR3 Gedanken

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In letzter Zeit sehe ich das öfter. Straßenschilder, Geländer an öffentlichen Gebäuden, sind komplett mit knallbuntem Stoff umhüllt. Sogar ganze Bäume. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, war ich überrascht und hab es noch für einen Einzelfall gehalten. Aber inzwischen sehe ich das häufiger. Und ich weiß jetzt auch, dass das kein Stoff ist, der da Pfosten und Pfähle kleidet, sondern dass es selbstgestrickte Wollanzüge sind. „Strick-Graffiti" nennt man das. Wie beim Sprayen wird in einer Nacht- und Nebelaktion ein Straßenschild in möglichst vielen Farben eingestrickt. Geheim natürlich. 

Eine Bekannte von mir, Anne, strickt in ihrer Stadt alles Mögliche ein. Äste, Schilder und Begrenzungspfeiler. Hauptsache es ist öffentlich. Ich hab sie natürlich gefragt, warum sie das macht. Und ihre Antwort: damit die Welt bunter und auch ein bisschen wärmer wird.

Eine buntere und wärmere Welt durch Strick-Graffiti. Aha. Mir leuchtet das nicht so richtig ein und ich frage mich, ob wir denn dazu wirklich eingestrickte Bäume brauchen. Ich denke, damit die Welt freundlicher wird, sollte ich was tun.
Brauche ich denn eine noch buntere Welt? Ich bin schon von so vielen Eindrücken umgeben, dass es mich oft stresst. Und dann noch mehr Farbe durch „Strick-Graffiti"?

Inzwischen kann ich meine Freundin Anne verstehen. Ich muss nämlich jedes Mal grinsen, wenn ich ein eingestricktes Straßenschild sehe. Und dann ist dieser kleine persönliche Beitrag zu einer warmherzigen und lebenswerteren Welt doch genau richtig.

Zu Anne sag ich dann: Ziel erreicht.

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