Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Warum passiert so etwas ausgerechnet meinem Kind? Was habe ich mir zuschulden kommen lassen?" So fragt eine Frau, die vor einigen Wochen erfahren hat, dass ihre 19 - jährige Tochter an Krebs erkrankt ist. Die Mutter ist eine religiöse Frau, aber das macht die Situation für sie nicht unbedingt einfacher. Da sie in letzter Zeit nicht mehr so häufig im Sonntagsgottesdienst war, quält sie nun der Gedanke, dass das ein Grund dafür sein könnte, dass ihre Tochter so krank geworden ist. Ein Gedanke eben, wie er einem in einer solchen Situation kommen kann. Als mir die Mutter davon erzählt, widerspreche ich ihr sofort. Was wäre das denn für ein Gott, der Kinder schwer krank werden lässt, nur weil ihre Eltern nicht fromm genug waren! Auf einen solchen Gott kann man getrost verzichten. Die Frau ist erleichtert, aber ihre Frage bleibt. Warum hat das Schicksal in ihrem Leben und im Leben ihrer Tochter so hart zugeschlagen? Früher wurde an dieser Stelle manchmal gesagt: „Gott wird schon seine Gründe haben." Oder: „Gott schickt keine größere Last, als man tragen kann." Zuweilen konnte man auch hören: „Leid kann uns zu besseren Menschen machen." Ich halte keinen dieser Antwortversuche für überzeugend. Vielleicht gibt es auch auf diese Frage gar keine sinnvolle Antwort. Tatsache ist doch: als sterbliche Menschen müssen wir damit leben, das wir in jedem Moment schwer krank werden können. Es trifft alte und junge, arme und reiche, solche, die es verdient haben und solche, die es nicht verdient haben. Gerecht ist das nicht. Für religiöse Menschen bleibt die Hoffnung, dass Gott am Ende darauf eine Antwort geben wird. Bis dahin können eigentlich nur wir selbst die Antwort geben. Indem wir unsere Not und unseren Schmerz miteinander teilen. Indem wir Mitgefühl zeigen mit denen, die leiden. Indem wir einfach da sind, wenn Menschen uns brauchen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14619
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