SWR4 Abendgedanken

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„An Mariä Lichtmess bei Tag ess" - Eine alte Bauernregel, die ich noch von meinem Opa gelernt habe. Sie sagt aus, dass es am Tag von Mariä Lichtmess schon wieder so lange hell bleibt, dass man alle Mahlzeiten bei Licht einnehmen kann. Bei gutem Wetter stimmt das auch. Morgen ist Mariä Lichtmess und da kann ich es wieder testen. Für mich als Christ geht's bei diesem Fest auch wirklich um Licht. An diesem Tag werden in der Kirche die Kerzen gesegnet, die man das Jahr über braucht.

Der Ursprung des Festes hat aber einen ganz anderen Grund: Es hat mit einem alten jüdischen Reinheitsgebot zu tun. Im antiken Judentum haben Frauen nach der Geburt ihres Kindes 40 Tage als unrein gegolten. Deshalb durfte eine Frau dann erst wieder in den Tempel als diese 40 Tage um waren. Und morgen sind seit Weihnachten 40 Tage um. Es wäre also die Zeit, nach der auch Maria, die Mutter Jesu wieder als rein gilt und in den Tempel gehen darf. Ich finde das deshalb spannend, weil hier zum einen die jüdischen Wurzeln von Jesus deutlich werden, aber auch, weil hier gleich mehrere heiße Eisen angesprochen werden: Zum einen zeigt sich hier ein Bild von Frauen, das ich als katholischer Christ nicht vertreten kann: Frauen sind hier den Männern untergeordnet, weil sie aus biologischen Gründen als „unrein" gelten. Für Menschen in der Antike mögen das ja vielleicht wichtige Hygienevorschriften gewesen sein, aber für den heutigen Menschen klingt es einfach abstrus. Und gleichzeitig muss ich sagen, dass auch meine katholische Kirche bis heute noch nicht über bestimmte Tabus hinweg ist, wenn es um Frauen geht.

Für mich geht es bei diesem Fest morgen noch um etwas ganz Anderes: Nämlich darum, was Weihnachten über die weihnachtliche Heimeligkeit hinaus für mich bedeutet. Und das hat schon etwas mit diesen Tabus zu tun und mit allem, was ich an mir und an anderen unangenehm finde und am liebsten verdrängen möchte. Denn das Spannende an meiner Religion ist ja, dass ich das Unreine, Unheile an mir sehe und gleichzeitig glaube, dass Gott schon begonnen hat, genau das  rein zu machen und zu heilen. Wenn ich wirklich glaube, dass in Jesus Gott zur Welt gekommen ist und die Menschen damit so liebt, wie sie sind, dann auch mit allem, was ich vielleicht an anderen und an mir tabuisieren würde. Wenn ich es zulasse, dass Gott mein Menschsein, mich, angenommen hat, dann wird auch das Unreine rein und das Unheilige heil.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14564
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