SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Das ist meine bessere Hälfte". So hat mir neulich ein Kollege seine Frau vorgestellt.  Der Spruch von der „besseren Hälfte" ist ja nichts Neues. Und wenn er liebevoll gesagt wird, kann er auch ein schöner Ausdruck von Zuneigung sein. Aber er hat mich auch zum Nachdenken gebracht.
Wenn die Rede von einer  „besseren" Hälfte ist, dann setzt sich ja auch der herunter, der sich dann als die weniger gute Hälfte bezeichnet. Klar, wenn ich damit sagen will, dass ich den anderen bewundere, ist das etwas Schönes. Wenn es aber das Verhältnis eines Paares bestimmt, dann finde ich das eher schwierig: Einer, der bewundert und eine, die bewundert wird? Das wäre eine ungute schiefe Ebene. Außerdem hat diese Rede noch einen zweiten Teil: Es wird ja von der Hälfte gesprochen. Und da klingt sicher was von dem mit, wie sich der Philosoph Plato das Verhältnis von Mann und Frau erklärt hat: Plato meinte, dass es ursprünglich nur eine „Sorte" Menschen gegeben habe, den Kugelmenschen, aber mit drei Geschlechtern: rein männliche Menschen, rein weibliche und gemischtgeschlechtliche Menschen, die Androgynoi - mit einem weiblichen und einem männlichen Anteil. Und weil diese Kugelmenschen zu mächtig geworden seien und den Göttern zu nahe kommen konnten, hat Zeus sie nach dem Mythos in zwei Hälften geteilt. Damit habe es doppelt so viele Menschen gegeben, die aber nicht so mächtig sind. Die so zerschnittenen Menschenhälften reagieren in der Geschichte auf diese Teilung aber damit, dass sie sich gegenseitig umarmen und sich vereinigen.
Ich mag diese Erzählung. Zum einen weil sie zeigt, dass wir Menschen aufeinander angewiesen sind - vielleicht sogar unabhängig vom Geschlecht: Wir brauchen andere. Zum anderen zeigt dieser Mythos aber auch, was die Liebe kann: Sie rückt uns in die Nähe des Göttlichen. Für mich als Christ heißt das, in die Nähe Gottes. Und dabei ist jede Art von Liebe möglich: Die Liebe zum Nächsten, die Liebe in der Partnerschaft und auch die Liebe zu Gott.
Entscheidend ist dabei nur, dass es sich nicht um die bessere Hälfte handelt, sondern um die passende Ergänzung. Ich brauche den anderen Menschen und der andere braucht mich. Die Frage ist, wo ich den anderen spüren lasse, dass ich ganz werde durch ihn!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14560
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