SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Träume gehen manchmal weit über das hinaus, was wir im Wachen denken.
Die Bibel erzählt viele Geschichten vom Träumen. Eine der schönsten erzählt von Jakob. Er war auf der Flucht, als er träumte. Vermutlich hatte er mit einem schlimmen Alptraum gerechnet. Denn sein Leben lief gerade ziemlich aus dem Ruder.
Er hatte seinen Vater und seinen Bruder betrogen. Die Sache flog auf. Zuletzt blieb ihm nur die Flucht. Auf einen Stein bettete er seinen Kopf. Kein sanftes Ruhekissen.
Und dann dieser Traum: Ausgerechnet ihm begegnet Gott im Traum.
Aber nicht als strenger Richter mit finsterem Zorn. Gott wendet sich nicht von ihm ab. Er schickt ihn nicht in die Wüste. Gott will in Verbindung bleiben mit Jakob. Mit dem Betrüger, dem Flüchtling, mit dem, der sich schuldig gemacht hat.
Jakob träumt von einer Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reicht. Er sieht Engel auf der Leiter. Und er sieht Gott, der zu ihm sagt:
„Schau, ich bin mit dir, und will dich behüten, wo du hingehst". (1. Mose 28,15).
Als Jakob erwacht, ist er ganz erfüllt von diesem Erlebnis.
Tief bewegt, markiert er den Ort, an dem er geschlafen hatte. Er nennt ihn Himmelpforte und Haus Gottes.
Dort verspricht er Gott nun seinerseits, immer an ihm festzuhalten.
Denn dass Gott ausgerechnet bei ihm bleibt, das hätte er nicht zu träumen gewagt.
Aber er erfährt: Gott gibt mir eine zweite Chance.
Diese Erfahrung hat Jakob verändert. Als er später selbst betrogen wurde und entbehrungsreiche Jahre zu bestehen hatte, ist ihm diese tiefe Gewissheit nicht verloren gegangen, dass Gott bei ihm ist und ihm hilft.
Jakob hat sich viele Jahre später sogar getraut, seinem Bruder wieder zu begegnen und sich mit ihm zu versöhnen.
Hätte man ihn damals auf der Flucht gefragt, ob er sich das vorstellen kann, er hätte vielleicht gesagt: „Das wage ich nicht einmal zu träumen."
Wie wunderbar, dass Gott mit uns weit über das hinausgeht, was wir uns so erträumen.

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