SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Nichts als Ärger im Büro. Seit die Chefin im Urlaub war, ging's mit der Stimmung bergab. Warum auch immer. Die Gerüchteküche brodelte, Beleidigungen aller Art, schlechte Stimmung. Nach zwei Wochen kam sie wieder und zwei Tage später lud sie alle zum Essen ein. Alle kamen, steif gab man sich die Hand, gezwungen wirkender Aperitif; dann aber ändert sich unmerklich die Stimmung, bei der Paella ging es los, beim Nachtisch wurden schon Witze gemacht, spätestens beim Digestif lauthals gelacht.
Essen verbindet, sagt man. Essen verändert die Sicht auf den anderen. Man isst zusammen und stellt fest, der andere ist - neben aller Unterschiedlichkeiten und geteilter Meinungen - ein Mensch wie du und ich. Essen stiftet Gemeinschaft.
Vielleicht hat Jesus deshalb so gerne mit Menschen zusammen gesessen und gegessen. An seinem Tisch kamen alle zusammen: Arme und Reiche, Sünder und Fromme, Kranke und Gesunde. Hier wurde Gemeinschaft erfahrbar über alle Grenzen hinweg.
Das mochten nicht alle. Jesus wurde als Weinsäufer beschimpft, als Freund von Gaunern und Huren. Es behagt nicht, wenn alle zum gemeinsamen Essen eingeladen sind, auch wenn der eine oder die andere es eigentlich nicht verdient haben. Auch heute noch tun es sich allzu oft Christen und Christinnen schwer, ihren Tisch allen zu öffnen - und sei es nur ihren Mitchristen.
Der Anspruch bleibt. Jesus hat selbst mit Judas das Brot gebrochen und auch ihm die Tischgemeinschaft nicht verwehrt. Vielleicht ist das sein größtes Zeichen, dass er selbst den nicht ausgeschlossen hat, der ihn verraten hat.

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