SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ausgerechnet in der dunkelsten Jahreszeit geht es - jedenfalls aus der Perspektive des Kirchenjahres - ums Licht. Epiphanias - Gott scheint in unsere dunkle Welt. Das ist eine regelrecht therapeutische Maßnahme. Denn in der Tat brauchen Menschen gerade im Januar das Licht. Als Pfarrerin habe ich festgestellt, dass meine Kollegen und ich Anfang Januar viel auf dem Friedhof zu tun haben, wenn es in den ersten Januarwochen draußen düster ist und die Sonne einfach nicht heraus kommt. Strahlt sie dagegen von einem klaren Winterhimmel, dann sieht es ganz anders aus.
Doch Gottes Licht kann auch an düsteren Tagen scheinen. Ein grauer Morgen, Nebel, es will draußen einfach nicht hell werden, und ich setze mich an einen ruhigen Platz, schließe die  Augen und stelle mir vor, dass mich die Liebe Gottes anstrahlt. Vielleicht stelle ich mir auch eine Musik an, die mich anspricht und trifft. Mitten ins Herz. Und dort leuchtet. Da gibt es einige dunkle Flecken! Der Ärger über eine Kollegin, die über meinen Kopf hinweg eine Entscheidung getroffen hat, und das Zimmer von meinem Sohn sieht immer noch aus wie eine Räuberhöhle, obwohl ich das Aufräumen angemahnt habe. Mein Freund hat, obwohl er es versprochen hat, heute doch keine Zeit, mit mir Essen zu gehen, meine Bandscheibe schmerzt und die politische Situation im Nahen Osten macht mir große Sorgen. Ich halte meine dunklen Herzensflecken in die Sonne der Liebe Gottes. Wie sieht mein Ärger über das Kind in diesem Licht betrachtet aus? Mein Ärger schmilzt wie Schnee an der Sonne, wenn ich daran denke, wie lieb er lächeln kann und überhaupt - wie sah mein Jugendzimmer vor 35 Jahren aus? Aufräumen muss er trotzdem - ich werde ihn daran erinnern. Mit der Kollegin sollte ich ein klärendes Gespräch führen, eigentlich haben wir bisher immer gut zusammengearbeitet; und meiner Bandscheibe täte eine Runde Fitnesstraining auch besser als mein Selbstmitleid. Der Liebste geht morgen mit mir essen - nur die Situation im Nahen Osten bleibt bedrückend. Es schmerzt mich, dass die Menschen dort so weit entfernt vom Licht scheinen, obwohl die Sonne dort intensiver strahlt als hier. Dieser dunkle Flecken bleibt, die anderen haben sich verwandelt. Ich konnte mich sortieren, und die Probleme gewichten. Das tut gut. Zum Schluss gönne ich mir noch eine Extrarunde Licht durch die Phantasie, dass Gott mich liebevoll und ermutigend anstrahlt: Auch ein trüber Januartag hat seine schönen Seiten, schau doch mal, ob du sie heute entdeckst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14449
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