SWR2 Wort zum Tag

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Die Existenz Gottes kann niemand beweisen. Aber es gibt Erfahrungen, aus denen heraus sich die Frage nach Gott besonders dringlich stellt, ja, die danach verlangen, dass Gott existiert und dass er handelt: Das geschieht fast immer dort, wo Menschen sich besonders schmerzlich ihrer Grenzen bewusst werden.

Wer sich mit der Geschichte eines Landes beschäftigt und nicht nur Erfolge und Siege zählt, dem lässt es keine Ruhe, wie vielen Menschen die Gerechtigkeit vorenthalten bleibt, der will sich nicht damit abfinden, dass die Opfer oft bis ans Ende die Opfer bleiben und dass die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Wie kann es sein, dass es den einen gut geht und andere durch ihr persönliches Schicksal, durch Kriege, eine ungerechte Gesellschaftsordnung und durch Armut daran gehindert werden, in Würde zu leben und ihr Leben selbst zu bestimmen? Wo ist da Gerechtigkeit? Nicht in dem Sinne, dass Gott die Guten belohnt und die Bösen bestraft, aber doch so, dass einer irgendwann den Opfern Recht verschafft und die Täter zurecht bringt? Der Sinn der Welt und des Lebens steht in Frage, wenn wir nicht auf eine letzte Gerechtigkeit hoffen dürfen, wenn es endgültig bei dem Unrecht bleibt, das Menschen erleiden und das die einen den anderen antun.

Unausweichlich kann die Frage nach Gott auch für den werden, der einen anderen liebt, und erfährt, wie unvollkommen die Liebe ist, die er schenken kann. Wer einen anderen liebt, will dessen Glück und erfährt, wie wenig er es schenken kann. Gerade in Beziehung zu denen, die sie lieben, spüren Menschen, wie viel sie dem oder der anderen schuldig bleiben. Je größer ihre Liebe, desto schmerzhafter diese Erfahrung. In dem Maß wie sie lieben, verlangen sie danach, dass einer das gibt, wozu sie nicht in der Lage sind.

Wer so an eine schmerzliche Grenze stößt, kann sich damit abfinden - oder er kann Ausschau halten. Er oder sie kann angesichts dieser Erfahrung resignieren, kann aber auch offen bleiben, nach Hilfe rufen und auf eine größere Gerechtigkeit und Liebe hoffen. In diesem Sinn hat jemand gesagt: Ich liebe Gott, er ist mir über alles wichtig, weil er anders und mehr lieben kann als ich. Seine Liebe kann geben, was ich selbst schuldig bleibe.

Wo Menschen erkennen, dass sie selber in ungerechtes Handeln verstrickt sind, wo sie sich eingestehen, dass ihre Liebe Grenzen hat, da werden sie nachdenklich. Und es kann dahin kommen, dass nur das Vertrauen in den größeren Gott ihre Not wendet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14445
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