SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Am Ende steht immer die Rückreise in den Alltag. Was man auch an Höhenflügen oder Tiefpunkten zu Weihnachten erlebt hat - im Kreise der Familie, zu Besuch bei Freunden oder auf Reisen - irgendwann muss man wieder im Alltag ankommen.
Auch in der Weihnachtsgeschichte ist das nicht anders. Von den Hirten, die die ersten waren in der Heiligen Nacht, heißt es: „Sie kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten".
Und auch die Weisen aus dem Morgenland treten die Rückreise in ihre ferne Heimat an. Sie nehmen sogar Umwege in Kauf, um nur nicht den Häschern des Herodes in die Armen zu laufen. „Auf einem anderen Weg zogen sie wieder in ihr Land", notiert Matthäus.
Die Frage, die sich nach dem Fest stellt, heißt also: Wie kehre ich zurück in mein normales Leben? Wie fädele ich mich wieder ein in den Alltag? Was bleibt vom weihnachtlichen Glanz?
Ich stelle mir einen der Hirten vor, der noch ganz begeistert ist von dem Erlebnis der Heiligen Nacht. Das wird er so schnell nicht vergessen! Aber dann stellt er fest, wie leicht selbst solche intensiven Eindrücke verfliegen. Jetzt muss er sich wieder dem harten Überlebenskampf stellen. Und steht Anderen gegenüber, die seine Erfahrung nicht teilen. Allmählich verlöscht der weihnachtliche Glanz.
Oder einer von den Weisen aus dem Morgenland. Voller Begeisterung ist er von dem, was da gewesen ist. Wie ihnen der Stern den Weg gewiesen hat. Und doch - langsam aber sicher wird er wieder von den Notwendigkeiten und Zwängen seines Alltags eingefangen. Im grellen Licht alltäglicher Routine leuchten keine Sterne.
So entschwindet der Glanz dieses Festes wie Lichter eines Zuges, der den Bahnhof verlassen hat und den die Dunkelheit verschluckt.
Andererseits, so hoffe ich, gibt es auch Wege, den Glanz von Weihnachten mitzunehmen. Die Freundlichkeit der Weihnachtsbotschaft durch kleine Gesten und Aufmerksamkeiten in den Alltag zu übersetzen. Es gibt Rituale der Erinnerung, um mit ihr übers Jahr hin verbunden bleiben.
Aus meiner Zeit, als ich als Auslandspfarrer in Spanien gearbeitet habe, weiß ich, dass in den Kirchen und Klöstern der Franziskaner das ganze Jahr über die Weihnachtskrippe zu sehen ist.
Nach den Festtagen wird Weihnachten dort ganz bewusst nicht wie ein nadelnder Christbaum entsorgt. Sondern soll als Erinnerung an die Menschwerdung Gottes das ganze Jahr vor Augen bleiben.
Gott ist in dieser einen Nacht Mensch geworden, ist die Botschaft. Darum sollen wir nie vergessen, dass es keine gottverlassenen Nächte mehr geben soll.
Zur Erinnerung an diesen schönen Brauch habe ich mir eine winzige, streichholzgroße Krippe nach Deutschland mitgebracht. Bauern in Peru haben sie hergestellt. Die Krippe steht jetzt auf meinem Schreibtisch und erinnert mich daran, dass Gott jeden Tag ankommt. In kleinen Zeichen der Aufmerksamkeit füreinander. Da, wo ich eine Tür öffne, die ins Schloss gefallen ist. Oder wo mir ein Wort gelingt, dass Verknotungen löst und den Horizont weitet.
Ja, es stimmt, auch der Weg von Weihnachten in den Alltag ist eine Rückreise. Ich möchte dafür gern das Licht der heiligen Nacht mitnehmen. Wie eine Laterne, die ich bei mir trage auf der Reise durch die Dunkelheiten des kommenden Jahres.
Helfen wird mir dabei meine kleine peruanische Streichholzkrippe. Und mich das ganze Jahr über daran erinnern, dass Gott Mensch geworden ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14439
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