SWR1 Begegnungen

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Teil 1: Weihnachten heute

Nicole Albes ist ein zugewandter Mensch. Als ich sie in Ihrer Hebammenpraxis treffe, begrüßt sie mich mit einem festen Händedruck und einem offenen Blick. Hebammen müssen auf Andere zugehen können, sagt sie, sich ganz schnell auf neue Situationen einstellen können. Sie ist xx Jahre alt, verheiratet und hat 2 Kinder. 1146 Kindern hat sie schon auf die Welt geholfen. Das weiß sie ganz genau, denn jede Hebamme führt ein Hebammentagebuch. Wenn sie die Weihnachtsgeschichte hört, denkt sie natürlich an Maria: 

Ich seh sie als ganz ganz starke Frau, keine kleine Magd, keine Dienerin, sondern wirklich ne ganz starke Frau, und das sind ja viele Gebärenden, entdecken ja oft Kräfte in sich, die ganz wunderbar sind, (viele Frauen Angst....) und dann gibt's wieder den Bogen zu Maria, sie hätte es sich bestimmt auch anders gewünscht, irgendwo behütet, aber sie hat das auch gemeistert, und für mich ist sie keinesfalls klein, sondern ganz groß. 

Maria hat für Nicole Albes eine ganz wichtige Bedeutung in der Weihnachtsgeschichte: Sie hat den Sohn Gottes geboren. Das Wunder des Lebens beginnt klein, zerbrechlich und schutzlos. Maria hat Jesus in einem Stall zur Welt gebracht, in einer fremden Umgebung. Keine leichte Situation für eine werdende Mutter. Diese Situation kennen viele Frauen, sagt Nicole Albes 

Ich hab nämlich gerade eine Dame betreut, die geflüchtet ist, noch nicht vor langer Zeit, und was sie mir erzählt hat, die Mutter ist aus Syrien geflüchtet, da spannt sich natürlich ein Bogen, aber sie ist ja auch auf dem Weg gewesen, und das schwanger und wieviel Sorgen sie dann auch hatte.

Je länger ich mich mit Nicole Albes unterhalte, umso stärker spüre ich: Das Weihnachtsevangelium ist für sie nicht bloß ein rührseliger Text aus der Vergangenheit, sondern mit echtem Leben gefüllt. Sie kann verstehen, wie sich die hochschwangere Maria vor der Geburt gefühlt haben muss. Allerdings musste bei Nicole Albes die werdende Mutter ihr Kind nicht im Stall zur Welt bringen: 

Ein Vater rief an, aus Nackenheim und sagte dann, du wir schaffen es nicht mehr ins Krankenhaus, wir haben ab Nackenheim zusammen per Telefon geatmet, ich hab meinem Mann dann gesagt: du es kann sein, dass bei uns jetzt gleich ein kleines Kind geboren wird, es war Nacht, die standen dann bei uns vor der Tür und ich habe festgestellt, wir schaffen es nicht mehr, wir haben der Frau ins Haus geholfen, der Papa hat seine Frau in den Arm genommen und dann wurde Konstantin geboren. Es (war für mich... es) war still, es war eine Ruhe, die mich sehr begeistert hat, die ich niemals vergesen werde.  

Jede Geburt ist ein göttlicher Moment für Nicole Albes. Da kommt ein Stück vom Himmel auf die Erde. Trotz dem ganzen Streß, Rufbereitschaft, Nachtdienste - für Nicole Albes gibt es keinen schöneren Beruf: 

weil es ein Geschenk ist, diesen Moment begleiten zu dürfen, es ist ein Geschenk, wenn die Eltern das erste Mal ihr Kind ansehen, und diesen Moment, den vergisst man nicht, das ist was ganz, ganz, ganz Besonderes, und er hat immer wieder einen Zauber inne.  

Musik:

Teil 2. Weihnachten persönlich

Nicole Albes ist Hebamme. Während ich mich mit ihr unterhalte,  denke  ich: Diese Frau liebt Ihren Beruf und sie liebt die Menschen. Ihre ausgeglichene und zupackende Art ist für werdende Eltern sicher sehr angenehm, denn eine Geburt ist immer eine Ausnahmesituation und da kommen die meisten Menschen an ihre Grenzen. Geburt und Tod sind die existentiellsten Momente im Leben der Menschen. Dass der Sohn Gottes als kleines, schutzloses Wesen in diese Welt gekommen ist, hat für Nicole Albes einen tieferen Sinn:

 Ja, es sollte eine Aufgabe für uns sein, wir Menschen sind Traglinge, wir wollen geborgen, gehalten werden -  und schwach oder klein ist kein Zeichen von Schwäche, Säuglinge haben ja schon einen ganz festen Charakter.. ich glaube, das ist einfach dieses „Kümmert Euch!" Sorgt euch, die Könige sind ja auch auf den Weg gegangen, sollten ihn beschützen, ich glaube, dass da der Sinn ist, (das das auch eine Aufgabe ist). 

Diese Botschaft von Weihnachten hat der frühere Bischof Kamphaus so ausgedrückt „Machs wie Gott, werde Mensch!" Klingt so einfach, aber was heißt das, Mensch werden? Für Nicole Albes bedeutet das, sich anzunehmen, für einander zu sorgen, und menschlich miteinaner umzugehen.  Deshalb ist Weihnachten für Nicole Albes ganz wichtig. Mit ihrer Familie versucht sie:

 wieder zu diesen Ursprüngen zurückzukommen, das ist für mich auch Weihnachten, was ist denn das Wichtige im Leben, das es die Familie ist, der Zusammenhalt, wirklich zu besinnen, was ist das Wichtige im Leben - ist es der DVD Player, Computer, hab ich das und das schon besorgt für den und den, oder ist es wirklich das Besinnliche, die Familie, die gemeinsame Zeit.  

Aber was machen die Menschen, die keine Familie haben, die allein sind? Die trauern, oder verzweifelt sind? Ist Weihnachten nur das Heile-Familien-Fest? Die Antwort darauf gibt finde ich im  Weihnachtsevangelium selbst:  Jesus ist schwach und klein in einem ärmlichen Stall geboren worden.  Die ersten, die von dieser Geburt erfahren, waren die Hirten, dann die Sterndeuter. Gott ist also den Menschen besonders nah, die am Rand stehen. Weihnachten zeigt die Liebe Gottes zu allen Menschen. Jedes neu geborene Kind ist deshalb für Nicole Albes ein Liebesbeweis Gottes zu den Menschen:

Das ist bei jeder Geburt wieder so, und immer wieder so, ich finde es immer wieder faszinierend, aus so ner kleinen Zelle entsteht so ein toller Mensch, was dieser Mensch dann auch lernt, in diesem ersten Jahr, das ist immer wieder ein Wunder, für mich ist das in jedem Menschen ein Stück von Gott beinhaltet.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14403
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