SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Passend zum Advent habe ich diese Geschichte gefunden: Die Sterne kamen zusammen. Sie waren alle männlichen Geschlechts, wie in der deutschen Sprache der Artikel beweist: der Stern. Es war eine Riesenversammlung. Sie begannen mit einem unendlich schönen und erhebenden Lobgesang. Die Sterne sangen durch das ganze Himmelsrund: einstimmig, zweistimmig, mehrstimmig. 
Aber da war unter den Milliarden Sternen ein winziger, unscheinbarer Stern. Dieser Stern war klitzeklein und ganz jung, ein Kind unter allen erwachsenen Sternen. Die großen Sterne sagten zu ihm: „Du kannst noch nicht mitsingen, du bist noch zu klein." Der kleine Stern war traurig. Er wäre gern dabei gewesen, bei diesem wundervollen Gesang. Nun saß er allein in seiner Ecke und weinte. 
In diesem Augenblick ging Gott durch den Himmel. Er sah den kleinen Stern und fragte: „Wer bist du?" Der kleine Stern antwortete: „Ich bin der kleine Stern". - „Und warum weinst du?" fragte Gott. „Ich darf nicht mitsingen. Jetzt sitze ich hier allein herum. Kannst du mich zu meiner Mama bringen?" Der kleine Stern tat ihm leid. „Wein doch nicht", sagte Gott, der selbst ein männliches Wesen war. „Ich will dir ja helfen." „Ich will zu meiner Mama," sagte der kleine Stern. 
Gott sagte nichts. Wie sollte er dem kleinen Stern das alles erklären. Dass er selbst alles geschaffen hatte, er, der Vater, so ganz ohne Mutter, alle diese wunderbaren Sterne. Er nahm den kleinen Stern auf den Arm und trocknete seine Tränen. Er nahm den Zipfel seines warmen, langen Mantels und legte ihn um den kleinen frierenden Stern. Der Kleine zitterte. Aber dann spürte er die Wärme Gottes, des Vaters. Er schmiegte sich an ihn, schaute ihn mit glänzenden Augen an und fing an, leise mitzusummen. Es war haargenau die Melodie, die die großen Sterne tönten. Gott summte mit und es klang wunderschön, was die beiden zusammen mit diesem gewaltigen Hintergrundchor des Sternenhimmels sangen. „Schön," sagte der kleine Stern. „Das ist schön!" 
Und wieder sagte der kleine Stern: „Alle Kinder haben eine Mama, ich will auch eine Mama haben!" Er machte eine Pause und schaute Gott fest an. „Du bist meine liebe Mama!" Er nahm das Gesicht Gottes in seine beiden kleinen Patschhände, drückte es fest und gab Gott einen ganz, ganz lieben Kuss. - In diesem Augenblick wurde Gott eine Mutter und ist es geblieben bis auf den heutigen Tag.

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