SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl" - so heißt es in einem Lied von Herbert  Grönemeier. Aber meist ist dieses heimatliche Gefühl doch auch mit einem Ort verbunden.
Wenn ich vor einigen Jahren Freunde gefragt habe, was sie an Weihnachten machen, dann kam die Antwort: „Wir fahren heim." Damit haben sie das kleine Dorf im Norden gemeint. Dort sind sie aufgewachsen, dort wohnen ihre Verwandten. Dabei leben sie seit Ende des Studiums hier, haben eine Familie gegründet, ein Haus gebaut und einen großen Freundeskreis gefunden. An Weihnachten hat es sie in ihre Heimat gezogen.
So geht es vielen. Allerdings ist es manchmal gar nicht möglich, die Heimat zu besuchen. Dieser Gedanke kann traurig machen, selbst wenn man inzwischen an einem Ort zu Hause ist, an dem man gut und gern lebt.
Heimat ist dort, wo ich mit den Menschen leben kann, die ich liebe und bei denen ich mich wohlfühle. Und das kann überall auf der Welt sein.
Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht. Trotzdem wird Leipzig, die Stadt, in der ich aufgewachsen bin, immer meine ursprüngliche Heimat bleiben. Ich verbinde mit ihr so viele Erinnerungen. Und die kann ich manchmal mit allen Sinnen wahrnehmen. Den Duft des Baumes vor dem Haus im Frühling, den Geschmack von Großmutters Sonntagsbraten... Und ich habe ganz viele Bilder und Geschichten im Kopf. Aber die sind undenkbar ohne die Menschen, mit denen ich dort gelebt habe. Denn es sind eben die Menschen, die mir heimatliche Geborgenheit geben können. Menschen, die für mich da sind, wenn ich sie brauche, die mich brauchen.
(Bei denen ich so sein kann, wie ich bin, die mich so mögen, mir Fehler verzeihen. Menschen, mit denen ich die wichtigsten Ansichten über das Leben und Gott und die Welt teile.)
Ein Stück Heimat finden viele Menschen auch in ihrer Kirchengemeinde. Sie erleben dort eine gute Gemeinschaft.
Es ist auch eine Aufgabe der Kirche, Menschen Heimat zu bieten. Leider zeigt sich, dass immer weniger Menschen ihre Heimat in der Kirche suchen, weil sie sich nicht von ihr angesprochen und in ihr geborgen fühlen. Weil sie nicht das Verständnis finden, das sie sich erhoffen. Oder weil die Veränderungen, die sie erwarten, nicht passieren. Doch gerade in unserer schnellen, manchmal unübersichtlichen Welt brauchen Menschen eine Heimat. Einen Ort, an dem sie aufgefangen werden mit ihren Nöten, besonders auch ihren seelischen Nöten. Wo sie Orientierung finden.
Glücklicherweise gibt es viele Menschen, auch in der Kirche, die sich dafür mit ganzer Kraft engagieren.
Denn der russische Schriftsteller Dostojewski hat mal gesagt:
„ohne Heimat sein, heißt leiden."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14262
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