Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn Sie einmal einen „philosophischen Friedhofsgarten" besuchen möchten, müssen Sie in die äußerste westliche Ecke von Rheinland-Pfalz fahren. Kurz bevor die Saar  in die Mosel fließt liegt das Dorf Kanzem.  Hier wächst nicht nur ein guter Wein, hier hat man auch vor einigen Jahren einen nicht genutzten Teil des Friedhofes zu einem Landschaftsgarten umgestaltet, dem „Philosophischen Friedhofsgarten".

Wer will, kann sich hier Gedanken über Leben und Tod, über Werden und Vergehen machen. Durch die ganze Anlage windet sich ein künstlich angelegter Bach, der „Fluss des Lebens". Vier verschiedene Gartenabschnitte sind Symbol für die Lebensabschnitte des Menschen. Im ersten Teil, dem „Garten des Werdens" fließt das Wasser noch verspielt wie die Kindheit.

Der zweite Teil ist der „Garten des „Seins". In seinem Zentrum steht ein Glaspavillon. Seine kleinen, bunten Fenster werden nach und nach gestiftet und erinnern oft an Menschen, die den Stiftern wichtig sind. Dann kommt der dritte Teil, der  „Garten des Abschieds". Hier stehen Bänke, auf denen man sich ausruhen kann. Fast schnurgerade fließt der Lebensfluss jetzt hinab ins so genannte Paradies, dem letzten Teil bis zum Saarufer. Freie Natur, verwelkte Blätter, kahle Äste. War's das jetzt?, fragt man sich als Besucher.

Die Antwort gibt ein kurzes Gedicht von Hilde Domin:

„Es knospt unter den Blättern. Das nennen sie Herbst."

Nur neuen kurze Wörter,  doch ganz viel Bedeutung. Die Dichterin  sieht die welken Blätter, schreibt aber von etwas anderem. Vom Leben, von den Knospen, die man erst beim zweiten Hinsehen wahrnimmt. Klar, es gibt schönere Zeiten für einen Besuch im Friedhofsgarten als den Monat November oder speziell heute den Totensonntag. Für Christen haben diese Bilder viel mit dem Leben zu tun. Denn das ist der Glaube: dass es mit dem Tod nicht vorbei ist, dass unsere Verstorbenen für immer bei Gott sind.  „Tröstet einander mit dieser Hoffnung", sagt der Apostel Paulus deshalb. Novembergedanken, denen man kaum einmal Raum und Zeit lässt. Im Friedhofsgarten in Kanzem an der Saar kann man ihnen im wahrsten Sinne des Wortes in aller Ruhe nachgehen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14243
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