SWR3 Gedanken

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Das Glas ist halb voll, sagen die Optimisten. Das Glas ist halb leer - jammern  die Pessimisten. Und natürlich sollen wir Optimisten sein und  immer schön positiv denken. Alles wird gut.
Ich finde das anmaßend. Als ob immer alles gut würde, wenn wir nur positiv denken. Der Heidelberger Psychologe Arnold Retzer hat in seinem neuesten Buch gezeigt: es gibt einen Zusammenhang zwischen dieser Haltung: Alles wird gut, wenn ich nur positiv denke - und den depressiven Erkrankungen in unserem Land.
Er meint: Es gibt bei uns zu viele Glücks-Gurus. Leute, die andere dazu verführen, ihre Depressionen, Ängste und Zweifel einfach wegzulächeln. Immer nur glücklich sein wollen, macht am Ende noch unglücklicher - das behauptet jedenfalls Arnold Retzer. Und seine Gründe finde ich einleuchtend.
Wer um jeden Preis positiv denken will, sagt er, hört auf zu denken, weil er sich jede kritische Sicht auf das, was nicht in Ordnung ist, verbietet. Und wer immer nur Erfolg haben will, verlernt es, mit Krisen und Niederlagen umzugehen.
Auch Gefühle wie Traurigkeit oder Angst können hilfreiche Gefühle sein, wenn es darum geht, im Leben etwas ändern zu müssen.
Mir haben diese Gedanken Mut gemacht. Ich darf auch unglücklich sein. Ich darf auch mal traurig sein und Angst haben. Und ich darf auch mal Fehler machen und versagen. Das alles sind Erfahrungen, die einem im Leben weiter bringen.
Selig sind die Traurigen, sagt Jesus einmal. Denn sie werden getröstet werden. Glücklich sind die, die auch Schwierigkeiten und traurige Erfahrungen nicht ausblenden. Glücklich sind, die sich ihren Ängsten stellen. Glücklich sind, die zu ihren Fehlern und Macken stehen. Sie werden die Erfahrung machen, dass gerade damit das Leben interessant wird.
Dieses Glück wünsche ich Ihnen heute.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14237
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