SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Gottes Geist bricht über uns ein, sprengt auf die verschlossene Tür, reißt uns aus den kühnsten Träumen und verwirklicht sie im Jetzt und Hier.“ So heißt es in einem Kirchenlied. Und so ähnlich haben es die Jünger vielleicht tatsächlich erlebt bei ihrem Pfingstfest. In der Bibel wird erzählt, sie hätten plötzlich in allen möglichen Sprachen geredet. Jeder, der sie hörte, konnte sie verstehen. Der Heilige Geist hat anscheinend gleich mehrere Dinge auf einmal bewirkt: Die Jünger verstehen selber, was sie in den letzten Tagen mit Jesus erlebt haben, sie sind plötzlich mutig genug, auch darüber zu reden, und sie sind auf offene Ohren gestoßen. Wenn ich mich heute mit Menschen aus meiner Gemeinde unterhalte, sieht das anders aus. Sie sind oft unsicher, was sie dem Arbeitskollegen sagen sollen, wenn er mal wieder eine kritische Anfrage hat. Am liebsten hätten sie ein ganzes Sortiment von Argumenten, um in solchen Situationen nicht dumm da zu stehen. Dabei hatten auch die Jünger keine besondere rhetorische oder gar theologische Bildung. Zugegeben, sie mussten auch noch keine kirchlichen Dokumente verteidigen oder sich zu Schwächen im System äußern. Und sie konnten von einem Menschen namens Jesus erzählen, den sie erlebt hatten. Doch heute haben die Leute ihren Glauben auch von bestimmten Menschen gelernt und manches Mal auch Jesu Nähe deutlich gespürt. Sie reden nur nicht gerne darüber. Vielleicht fehlt ihnen auch einfach die richtige Sprache. Dabei müsste die doch zu finden sein, auch mit Leuten, die gar nicht christlich glauben. Jeder schöpft doch irgendwo her Kraft, wieso sich nicht darüber austauschen?
Ein bisschen Pfingsten würde uns allen gut tun! Ich meine damit nicht, dass wir alle begeisterte Christen werden müssten. Die kleinste Stufe fände ich schon ganz toll. Wenn die Menschen den Mut haben, von dem zu reden, was sie in ihrem Leben trägt, von ihren Fragen und Zweifeln und von ihren Antwortversuchen, wenn die Menschen für solche Themen eine Sprache finden und wenn sie dabei einander zuhören und zu verstehen versuchen. Unsere Erfahrungen in diesem Bereich sind viel zu wertvoll, um sie zu verschweigen, nur weil wir unseren sprachlichen Fähigkeiten nicht trauen. Außerdem: Mit jemand, der toll reden und argumentieren kann, kann ich um die Wette diskutieren. Aber jemand, der genauso wenig mit seinen Fragen fertig ist, wie ich es bin, von dem kann ich mir mehr erhoffen, den kann ich tatsächlich verstehen. Und vielleicht können wir gegenseitig von unseren Fragen und auch von den Antwortversuchen profitieren. Das ist mein kühner Traum, den ich gerne im „Jetzt und Hier“ verwirklicht sähe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1422
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