SWR2 Wort zum Tag

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„Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt". Dieses Zitat von Bertold Brecht hat mich ins Nachdenken gebracht über die Frage, was von uns bleibt, was von mir bleiben wird nach dem Tod.
In der Themenwoche „Leben mit dem Tod" haben die Sender und Programme der ARD versucht, sich der Frage zu nähern, wie wir Lebenden mit dem Tod umgehen, welche alten und neuen Sichtweisen es dazu gibt.
Das Zitat von Brecht hat mir gezeigt, wie zentrale Themen des Lebens oft verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Kulturen zutage bringen, auch wenn diese Kulturen scheinbar sehr unterschiedlich sind.
Sein Satz, dass man erst dann wirklich tot ist, wenn niemand mehr an einem denkt, deckt sich nämlich mit der Vorstellung der afrikanischen Tradition. In dieser Tradition haben die Ahnen eine sehr große Bedeutung. Sie werden verehrt und gelten als Teil der Gemeinschaft, auch wenn sie nicht mehr körperlich anwesend sind. So leben sie auf vielfältige Weise mit und unter den Nachkommen. Allerdings nur so lange, wie diese ihren Namen kennen und sich an ihre Taten erinnern. Werden sie vergessen, so verschwinden sie endgültig aus der Gemeinschaft der Familie und des Clans.
Und auch eine weitere Verbindung zur europäischen Tradition gibt es: Wie bei der Verehrung der Heiligen hierzulande, so kann in Afrika nur dann ein verstorbener zum Ahn werden, wenn er ein vorbildliches Leben geführt hat, ein guter Mensch war und Hervorragendes für die Gemeinschaft geleistet hat.
Die afrikanische Theologie hat dies aufgegriffen und zum Beispiel auch übersetzt, wie der Glaube an Jesus Christus verständlicher werden kann: Nämlich im Verständnis von Jesus als dem Uhr-Ahn, dem größten der Ahnen, der uns vorausgegangen ist auf dem Weg zum guten Leben, sein Leben aufgegeben hat für die Anderen.
Ich finde, dass der afrikanische Umgang mit den Ahnen auch für Menschen aus anderen Kulturen interessant und hilfreich ist. Wer möchte nicht gerne, dass die Nachfahren noch lange an einem denken, ihn oder sie in Ehre halten und gerne in Erinnerung rufen?
Ich jedenfalls finde Trost in dem Gedanken, dass der Tod nicht bedeutet, dass ich nicht mehr Mitglied der Gemeinschaft, der Familie und der Freunde bin. Da fällt es ein bisschen leichter, mit der eigenen Endlichkeit zurechtzukommen. Eine Herausforderung bleibt das allemal.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14208
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