Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Den Krieg begraben. Das wäre die richtige Aufgabe für den Volkstrauertag. Die Indianer, von denen ich als Junge gerne gelesen habe, begruben gelegentlich das Kriegsbeil. Doch irgendwann haben sie es immer wieder ausgegraben.
Den Krieg begraben. Das ist ein uralter Traum. Schon in der Bibel sagt der Prophet Jesaja, was er in der Zukunft sieht: "Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen. Denn es wird kein Volk mehr gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen."
Schwerter werden zu Pflugscharen. Raketen zu Baukränen. Die Menschen lernen einfach nicht mehr, wie das geht: Krieg führen.
In Deutschland haben wir das ja eigentlich geschafft: In unserem Land gibt es seit fast 70 Jahren keinen Krieg mehr. Und doch gibt es wieder frische Soldatengräber. Von meist jungen Menschen, die in Afghanistan oder anderswo gefallen sind. Da wird der Volkstrauertag plötzlich ganz aktuell.
Dabei sind noch nicht einmal alle gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs beerdigt. Östlich von Berlin findet man immer noch Überreste. Und die werden richtig beerdigt. Vor ein paar Jahren habe ich einen Mann kennengelernt, der das tut: Erich Kowalke. Wo er lebt, fand im April 1945 eine der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs statt. Über 50.000 Soldaten fielen. Deutsche, Polen, Russen.
Nun versucht Erich Kowalke mühsam, Namen herauszufinden. Manchmal hat er Glück und findet eine Erkennungsmarke. Oder jemand kann durch eine Uhr identifiziert werden. Dann werden die Überreste der Gefallenen endgültig begraben.
Sieht es so aus, wenn der Krieg begraben ist? Ein russischer General hat mal gesagt: Der Krieg ist erst zu Ende, wenn auch der letzte gefallene Soldat würdig begraben worden ist.
Ich bin an diesen Gräbern entlanggegangen und habe die Lebensdaten der Soldaten gelesen. Manche waren erst siebzehn, achtzehn Jahre alt. Jugendliche
Ich bewundere das, was Erich Kowalke da tut. Inzwischen hat er einen jüngeren Nachfolger bekommen. Arbeit gibt es noch genug. Bis der Krieg begraben ist. Und erst recht, bis keiner mehr lernt, Krieg zu führen. Kein Volk auf der Welt mehr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14194
weiterlesen...