SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Oh dieser trübe November! Aber nein, er ist nicht nur trüb und es wird auch nicht nur im November gestorben. Trotz Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag. Als ich diese Sendung vorbereitet habe, saß ich im Garten, an einem Oktobertag mit einem stahlblauem Himmel und einem Wind, der die ersten Blätter von den Bäumen und die Wolken über den Himmel getrieben hat. Goldener Oktober, als Vorbereiter, Vorbote des trüben Novembers. Und es  hat unglaublich gut gepasst, dass ich gerade da ein Gedicht gelesen habe, in dem die Verstorbenen als unsichtbar lebendig gedacht werden. Als Wind. Der die Lebenden begleitet, umgibt und durchdringt. Als Zeichen, dass nicht nur das Sichtbare, das Greifbare lebendig ist, sondern auch das unsichtbare Bewegte und Bewegende. Dieses Gedicht hat mich auch berührt, weil es eine tiefe und eine sehr vorsichtige Hoffnung ausdrückt. Eine doppelte Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass es mit dem Tod eben nicht vorbei ist. Und die Hoffnung, dass Lebende wie Tote in Gott gut aufgehoben sind. Hochgehoben, hinaufgehoben zu ihm und dort geborgen. Das Gedicht ist von Joachim Ringelnatz und heißt: „Was dann?" Ich möchte es all denen mit ins Wochenende geben, die eine solch vorsichtige Hoffnung brauchen können. „Wo wird es bleiben", schreibt Ringelnatz, „was mit dem letzten Hauch entweicht? Wie Winde werden wir treiben - vielleicht! Werden wir reinigend wehen? Und kennen wir des Menschen Gesicht? Und jeder darf durch uns gehen, erkennt uns aber nicht. Wir werden drohen und mahnen als Sturm, und lenken die Wetterfahnen auf jedem Turm. Ach, sehen wir die dann wieder, die vor uns gestorben sind? Wir, dann ungreifbarer Wind? Richten wir auf und nieder, die anderen, die nach uns leben? Wie weit wohl Gottes Gnade reicht. Uns alles zu vergeben? Vielleicht? Vielleicht!

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