SWR3 Gedanken

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„Partir c'est un peu mourir". Abschied ist ein kleines Stück Sterben, sagt eine französische Lebensweisheit. Vielleicht mach ich ja deshalb Abschiede immer möglichst kurz. Natürlich, Abschiede gehören zum Leben, vom Anfang bis zum Ende ist unser Leben immer wieder von Trennungen geprägt. Ja wir müssen uns geradezu immer wieder trennen um uns weiter entwickeln zu können. Von der Abnabelung bei der Geburt, über die Abschiede von Lebensphasen und Lebensträumen, von großen Lieben bis hin zur letzten großen Trennung von diesem Leben im Sterben. Das Leben scheint eingebettet in ein unaufhörliches Anfangen und Aufhören, Weggehen und Ankommen, Binden und Lösen. Immer wieder hin und her gerissen zwischen diesen Polen, die einen innerlich nie ganz zur Ruhe kommen lassen, mal schmerzlich, kraftlos und traurig, mal befreit, euphorisch und kraftvoll. Und wer kann oder will diese extremen Gefühlserfahrungen immer wieder zulassen? Wer will schon dauernd mit Abschied und Sterben konfrontiert werden? Da macht das Leben doch keine Freude mehr. Im Gegenteil, sagen meine spirituellen Lehrer:       Nur wer sich der Sterblichkeit bewusst ist, sie nicht verdrängt, kann wirklich Freude empfinden, tiefe Freude. Das ist keine religiöse Selbstquälerei, sondern eine Art Lebenskunst. Sterbensbewusstsein als Lebenskunst. „Abschiedlichkeit" wird sie auch genannt. Loslassen können. Sich selbst und die Anderen. Nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen - weiß Gott, das ist eine schwere, oft schmerzliche Übung. So bewusst, so intensiv und im Wortsinne ge-lassen zu leben, dass ich Trennungen nicht nur als tödliche Einschnitte erleben kann, sondern als organische Abschnitte meines Lebens. Wie bei einem Baum, der, wenn er zurückgeschnitten wird, wieder kraftvoll wächst und Früchte bringt. Dazu gehört Trauer, Seelenarbeit, aber auch Seelenruhe. Damit ich gut in die nächste Lebensphase komme - und sei sie der Tod.                                            

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