SWR2 Wort zum Tag

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An Pfingsten feiern wir das Geschenk des Geistes Gottes. Er ist es, der in Menschen die Sehnsucht nach Gott weckt und der Menschen bewegt, an Jesus Christus, den Auferstandenen zu glauben. Seit dem letzten Konzil beginnt die Kirche jetzt erst wieder, sich bewusst zu werden, dass sie ein Geschöpf des Geistes ist. Ihm verdankt sie ihre Lebendigkeit. Deswegen beten wir heute, wenn wir Eucharistie feiern, wieder mit den Worten der frühen Kirche zu Gott: „Du hast als Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt. Er führt das Werk deines Sohnes auf Erden weiter. ... Darum sende deinen Geist auf uns herab, sende ihn auf die Gaben, auf Brot und Wein, und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus“. Und weiter beten wir: „Lass alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, eins werden, ein Leib im Heiligen Geist.“ Dieses dankbare und bittende Gedenken des Geistes war in den Jahrhunderten vor dem Konzil aus den Messtexten verschwunden.
Erst das zweite vatikanische Konzil hat es wieder neu ins Bewusstsein gerufen: Alles, was durch Jesus von Nazareth geschehen war und, von ihm ausgehend, in den Getauften und ihren Kirchen bis heute geschieht, verdankt sich dem Wirken des Gottesgeistes, ist gewirkt durch den Heiligen Geist. „Gott sandte seinen Sohn, ... gesalbt mit dem heiligen Geist. ... Vom heiligen Geist erfüllt, sandte Christus seine Jüngerinnen und Jünger in die Welt. ... Die Kirche hat nie aufgehört, ... Gott für seine unsagbar große Gabe zu danken. ... All dies geschieht im Heiligen Geist“ (SC 5, 6). Mit diesen Worten wollen die Konzilstexte dazu anregen, Gottesdienste in der rechten Gesinnung zu feiern, und besser zu verstehen, was wir tun und was dabei geschieht. Worte und Zeichen öffnen und sie machen empfänglich für den Geist Jesu Christi.
Wie konnte das Geschenk des Geistes in den Hintergrund treten? Wahrscheinlich weil es so schwer zu fassen ist. Wie können wir es denn empfangen, greifen oder gar festhalten? Den Geist kann man nicht dingfest machen. Wir haben nichts in der Hand, nichts, was wir „schwarz auf weiß“ vorweisen und womit wir andere überzeugen könnten. Menschen, die sich vom Geist des Auferstandenen leiten und inspirieren lassen, begeben sich auf einen Weg, der im Gehen erst entsteht. Sie akzeptieren, dass sie keine Beweise haben, sondern nur Hinweise, keine klaren Richtlinien, sondern eine Bewegung, die sie erst erkennen, wenn sie sich hineinbegeben; sie folgen auch keiner zwingenden Einsicht, sondern einem Wort, das sie erst hören, wenn sie hören wollen. Dann allerdings verändert sich ihr Blick. Sie sehen die Welt, die Menschen, sich selbst, in neuem Licht, von Gott her – auf Gott hin offen.
Den aufwändig geplanten und durchgeführten Dingen nimmt dieser neue Blick nichts von ihrem Glanz – doch auch die überraschenden, unscheinbaren und einfachen Dinge beginnen zu leuchten. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. Die gut gestaltete Liturgie mit festlicher Musik in einem kostbaren Raum – unbestreitbar ein Höhepunkt! Und doch: In der kleinen Gruppe, die sich in Stille um einen einfachen Holztisch versammelt, wohnt eine starke innere Kraft. Oder die gut organisierte und kompetente Sozialarbeit – ein wichtiger Dienst an der Gesellschaft! Und doch: Ein freundlicher Blick, eine Berührung, eine winzige Geste kann tiefer wirken. Oder unsere in immer neuen Büchern wohl durchdachte Theologie – wir können stolz auf sie sein! Und doch: Ein einfaches Wort, in dem ich persönlich ganz präsent bin, kann Berge versetzen.
Der Geist Gottes, der Jesus bewegte und den er seinen Jüngern weitergab, und der bis heute den Glauben von Menschen weckt, bringt Bewegung, Unordnung und neue Verhältnisse mit sich. Wenn wir uns wirklich von der Gabe des Geistes bestimmen lassen, müssen wir mit der Unsicherheit leben: Unsere mitgebrachten Maße und Maßstäbe werden immer wieder verrückt. Wenn wir dafür danken und den Geist der Unordnung und der neuen Verhältnisse feiern, so wirkt in diesem Feiern der Geist selber.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1418
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