SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Mit acht Jahren bekam ich mein erstes Gesangbuch, Leder mit Goldschnitt, genau wie die Erwachsenen. Kürzlich habe ich wieder darin geblättert, und plötzlich sah ich mich auch wieder als kleines Mädchen in der Kirche sitzen und in vollem kindlichen Ernst ein Gebet im Kapitel „Persönliche Anliegen" beten: Überschrift: Um einen guten Tod. Und mir fiel wieder ein, daß ich es eine zeitlang Sonntag für Sonntag gebetet habe, in den Minuten, bevor die Messe anfing.
Herr Jesus Christus, beginnt das Gebet , schon jetzt nehme ich jede Art des Todes mit allen Ängsten, Nöten und Schmerzen bereitwillig aus Deiner Hand an. Aber um eines bitte ich Dich flehentlich, barmherziger Heiland: Laß mich nicht unvorbereitet in die Ewigkeit hinübergehen, sondern um Deiner Todesangst willen gib mir die Gnade, gereinigt und gestärkt durch die heiligen Sakramente, unter den Segensgebeten der Kirche von hinnen zu scheiden.. Jesus, Maria Josef, euch schenke ich mein Herz und meine Seele. Jesus, Maria, Josef, steht mir bei im letzten Streite. Jesus, Maria, Josef, lasst meine Seele mit euch im Frieden scheiden. Amen.
Schwergewichtige Worte waren das. Ob ich heute, als Erwachsene, noch so beten könnte, nachdem ich Erfahrungen gemacht habe mit Sterben und Tod? Manches müsste ich anders sagen oder hinzufügen, z. B. unbedingt die Bitte: Laß das Sterben nicht zu schwer werden! Und die Menschen, die jetzt im Leben zu mir gehören, müssten unbedingt vorkommen. Vielleicht müsste ich auch meinen Widerstand gegen den Tod überhaupt ausdrücken, daß ich nicht sterben will, sondern leben.
Aber vieles in diesem alten Gebet berührt mich auch heute wieder. Die Vorstellung, daß der Tod nicht aus einem blinden Verhängnis kommt, sondern aus der Hand Gottes. Der Wunsch, dass glaubende Menschen mir beistehen, die Bitte um die Zeichen von Gottes Nähe - das sind ja die Sakramente. Und auch das Anrufen dieser Drei, die vor mir gestorben sind: Jesus, Maria, Josef, lasst meine Seele mit euch in Frieden scheiden!
Dieses Gebet klingt anders als viele heutige Diskussionen. Hier geht es nicht darum, was ich alles regeln muß, was ich für welche denkbaren Umstände vorab verfügen muß. Hier geht es um das, was ich sicher auch im Sterben vor allem brauchen werde: um Vertrauen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14178
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