SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Vor kurzem sind wir auf einer Wanderung in einer kleinen Hütte im Pfälzer Wald eingekehrt. Der Andrang vor der Essensausgabe war groß und wir standen eine ganze Weile in der Schlange. An der Theke, wo es hektisch zuging, höörte ich immer die gleiche Frage nach der Tischnummer, auf die die Bestellung laufen sollte. „„Nummer?"", fragte die Bedienung schließlich den Mann vor uns in der Reihe. „„Welche Nummer?"", fragte dieser etwas unsicher in niederländischem Akzent zurück. „„Na, die Tischnummer!"" Der Mann zuckte mit den Achseln und meinte er wolle nur zwei Bier und zwei Bratwürste für sich und seine Frau. Darauf etwas unwirsch die Bedienung: „„Ohne Nummer geht hier nix!"" Es gab an der Theke offensichtlich ein Gebot. Ein Tischnummerngebot. Eine Nummer muss her, und wer das nicht versteht, bringt die Ordnung durcheinander. Untergegangen ist dabei, dass die Sache mit den Tischnummern vermutlich eingeführt wurde, um den Kunden einen möglichst guten Service zu bieten. In dem Fall hat das Gebot aber eher das Gegenteil bewirkt..
Mit starren Geboten anderer Art hatte auch Jesus seine Schwierigkeiten. Regelmäßig bringt er die religiöse Ordnung durcheinander und eckt damit bei den Strenggläubigen seiner Zeit an. Dabei ist Jesus nicht grundsätzlich gegen Gebote -- im Gegenteil. Er will sie ins rechte Licht rücken, zeigen, was dahinter steht. Als gläubiger Jude stellt er deshalb ein Gebot üüber alle anderen: „„Liebe Gott mit ganzem Herzen und liebe deinen Nächsten wie dich selbst."" Das sei die Grundlage aller Gebote, betont Jesus und er ist überzeugt: die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen gehen Hand in Hand. So kümmert er sich an jüdischen Feiertagen um Kranke und Leidende -- füür die Strenggläubigen ein Verstoß gegen das Sabbatgebot, das Feiertagsgesetz. Er fällt keine vernichtenden Urteile üüber Menschen, die Schuld auf sich geladen haben. Und er isst zusammen mit Matthääus dem Zööllner an einem Tisch, obwohl dieser als Geldhäändler von der glääubigen Gesellschaft ausgeschlossen war. Füür Jesus sind Gebote von Gott, immer Gebote für den Menschen und nie gegen ihn. Deshalb kann er auch mal füünfe gerade sein lassen und mit einem Herz füür den jeweiligen Betroffenen entscheiden. Wenn das gelingt, dann fördert Religion, dass wir respektvoll miteinander umgehen und nicht engstirnig oder gar fanatisch auf Geboten herumreiten.
Engstirnig war allerdings auch der Gast aus den Niederlanden nicht. Als er hörte, dass ohne Nummer nix geht, sagte er einfach: 23. Das war zwar keine Tischnummer -- denn es gab nur 20 Tische -- aber es war eine Nummer. Der Bedienung hat das offensichtlich gereicht. Sie hatte ihre Nummer...und er ein wenig später seine zwei Bier und die Bratwürste.

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