SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Himmlische Unterbrechungen - manchmal gibt es sie mitten am Tag.
Ich liebe den Samstag! Der Samstag ist der einzige Tag, an dem ich nicht vom Wecker geweckt werde. Am Samstag nehmen meine Frau und ich uns mehr Zeit zum Frühstücken als an anderen Tagen. Der Tisch wird schön gedeckt. Und nach dem Frühstück bleiben wir noch länger sitzen, als uns das sonst möglich ist.
Irgendwie spüre ich am Samstagvormittag immer einen Hauch von Sabbat. Des Ruhetags, wie er im Judentum gefeiert wird. Ich kann Luft holen. Abstand gewinnen. Neue Kräfte sammeln. Nicht durch einen langen Urlaub. Oder einen Kuraufenthalt. Der terminfreie Samstagmorgen ist eine Unterbrechung im Kleinen. Solche ausgesparten Zeiten tun gut. Sie spiegeln die Weisheit einer Regel wieder, die sich schon in den Zehn Geboten findet: „Du sollst den Sabbat heiligen." Es gibt immer weniger den einen, für alle freien Tag. Der Sonntag ist längst zwischen die Mühlen von Gleichgültigkeit und ökonomischen Zwängen geraten. Wir geben ihn vielfach dran, ohne zu ahnen, was wir verlieren. Das Wochenende wird zu einer zweiten, verkürzten Arbeitsphase. Alles, wofür sonst keine Zeit bleibt, wird hineingepackt. Erholung und Abstand bleiben auf der Strecke.
Ich bin sicher: Der Ruf nach gesetzlichen Rahmenbedingungen, um den Sonntag zu schützen, ist dringend nötig und sinnvoll. Aber er garantiert noch lange nicht, dass wir wissen, wie wir solche freien Tage sinnvoll nutzen. Die an den Sabbat erinnernden Anteile während eines freien Tages - ich muss sie selber entdecken. Und schützen.
Solche  himmlischen Zeiten der Unterbrechung, sie sind weder auf den Samstag noch auf den Sonntag begrenzt. Manchmal können sie mitten unter der Woche aufblitzen. Manchmal sogar mitten am Tag. Wenn ich Räume für die kleine Auszeit freihalte. Wenn ich Dinge tue, die keinen Zweck erfüllen müssen. Und die sich nicht lohnen oder rentieren müssen. Wenn ich für einen kurzen Zeitraum aussteige. Wenn ich den kleinen Abstand gewinne, von dem, was mich sonst gerade in Beschlag nimmt. Wenn ich die Gelegenheit nutze für ein kleines Gespräch über Gott und die Welt - dann wird es irgendwie Sabbat. Meist ist dieser kleine Sabbat zwischendurch die schönste Zeit des Tages. Irgendwie eine himmlische Zeit. Und wenn ich erfolgreich bin damit, mir immer wieder den kleinen Sabbat zu retten, dann nährt das auch die Sehnsucht nach mehr. Ich wünsche Ihnen, dass Sie heute eine Nase voll abbekommen vom großartigen Duft dieser Sehnsucht nach dem Sabbat

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