SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das Gespräch auf Augenhöhe ist die intensivste Form der Beziehung zwischen verschiedenen Religionen
An einem  Bahnhof nehme ich mir unlängst ein Taxi. Ich habe einen Termin und bin knapp dran. Der Taxifahrer, so vermute ich, stammt aus der Türkei. Ich spreche ihn an. Und in wenigen Augenblicken sind wir tief in ein Gespräch über Gott und die unterschiedlichen Religionen verstrickt. Der Taxifahrer gehört einer Gruppe im Islam an, die eher mystisch geprägt ist. Er will seine Religion aus der Politik heraushalten. Sein Ziel ist, dass die Menschen bei aller Unterschiedlichkeit im Frieden miteinander zusammenleben. Und dass sie immer Gott in ihr Denken einbeziehen, egal was sie tun.
Als wir am Ziel sind, bedankt er sich überschwänglich für das Gespräch. Dann sagt er: „Ich will ihnen noch etwas mitgeben!" Und er schenkt mir seinen Koran. Ein wunderschönes Exemplar. In schöner Schrift gesetzt. Und mit Goldschnitt.
Revanchieren kann ich mich nicht. Zu unerwartet kommt diese Wendung des Gesprächs. Im Nachhinein frage ich mich aber: Was hätte ich dem Taxifahrer eigentlich mitgeben können? Was ist mir so wertvoll, dass ich es weitergeben möchte, um zu zeigen: Das ist mir heilig?
Ein Tausch Buch gegen Buch - das wäre nicht das Richtige gewesen. Beim weiteren Nachdenken wird mir klar: Es zeichnet uns Menschen doch gerade aus, dass wir miteinander ins Gespräch, in einen Dialog, kommen können. Ich denke an den ersten Satz des Johannes-Evangeliums: „Am Anfang war das Wort!" Dieser Satz drückt für mich ein Bekenntnis aus. Ein Bekenntnis zu dem, was den Menschen ausmacht. Er ist ansprechbar. Er ist zur Reflexion fähig. Er ist geprägt vom Zutrauen in die Kraft der Vernunft. Er will überzeugen. Will nicht im unsinnigen Wortschwall ersticken. Oder mit einem Machtwort zum Schweigen gebracht werden.
Vielleicht war genau das der Grund dafür, dass der Taxifahrer so dankbar reagiert hat. Das Interesse an ihm und an seiner Religion hat ihm gut getan. Und hat ihn offen für die Begegnung mit mir gemacht.
Vielleicht sieht gerade so ein glaubwürdiger Beitrag im Gespräch zwischen Angehörigen verschiedener Religionen aus. Und verschiedener Ansichten darüber, worauf es ankommt im Leben. Und wie ich Gott ins Spiel bringe.
Der Koran, den mir der Taxifahrer geschenkt hat, erinnert mich an diese Verpflichtung zur grundsätzlichen Offenheit. Auch dann, wenn ich weiter und gerne lieber die Texte der Bibel lese.

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