Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Alles, was wir tun, hängt doch davon ab, welche innere Vision unserer Suche Flügel verleiht" (S. 22). So schreibt Martin Schleske, ein renommierter Geigenbauer. Sein Buch habe ich ganz fasziniert gelesen. Schon der Titel lässt aufhorchen: "Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens". Schleske beschreibt anhand des Geigenbauens, welche wichtigen Lebensseinsichten ihm bei den einzelnen Arbeitsschritten gekommen sind.
Am Anfang steht die Suche nach dem richtigen Holz für die Instrumente. Das beste sind so genannte "Sängerstämme", hoch oben im Gebirge langsam und astfrei gewachsen, 40 m lang. Schleske hatte von einem Windbruch in den Garmischer Alpen gehört und ahnte, dass es dort solche Stämme geben könnte. Zusammen mit einem Geigenbauerfreund machte er sich auf den Weg. Mitten im Winter, in hohem Schnee. Sie fanden den Windbruch. Sie entdeckten Bäume, von deren Klang-Qualität sie überwältigt waren. Diese Stämme schnitten sie im Windbruch unter extremen Bedingungen.  Und es war auch nicht einfach, sie dort heraus zu holen. "Unsere Arbeitsweise war leichtsinnig und gefährlich." schreibt er rückblickend. Aber sie wollten die "Sängerstämme" unbedingt haben. Exzellente Geigen brauchen entsprechendes Klangholz. Das gibt es. Man muss es nur suchen und einholen. Das hat seinen Preis. "Wären wir damals nicht überzeugt gewesen, ein wunderbares Klangholz zu finden," schreibt Schleske, "dann hätten wir die Kraft nicht aufgebracht, den Weg unter diesen Umständen zu gehen" (S. 18). 
Die leidenschaftliche Suche nach dem besten Geigenholz ist für Schleske ein Symbol geworden für die Suche nach dem "Klang des Lebens", nach dem, was es erfüllt.  Er hat entdeckt, dass die Suche nach Klangholz und die Suche nach Gott vieles gemeinsam haben. Zum Beispiel, dass man nicht damit rechnen kann, das Kostbarste einfach so im Vorübergehen zu finden. Und das bedeutet für ihn: "Mein Dasein soll eine heilige Suche sein. ... Wir meinen heute, Spiritualität bedeute vor allem, dass unser Herz seine Ruhe findet. Doch es bedeutet eben auch das Gegenteil: Wenn mein Leben mir etwas wert ist, dann werde ich mich aufmachen und mein Dasein als eine Pilgerschaft des suchenden und hörenden Lebens verstehen."  (S. 19). „Alles, was wir tun, hängt doch davon ab, welche innere Vision unserer Suche Flügel verleiht." (S. 22) 

Martin Schleske (Geigenbauer), Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens. Mit Fotos von Donata Wenders, Kösel-Verlag München 2010 / 3. Auflage 2011

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14160
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