SWR2 Wort zum Tag

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Propheten sagen selten was Nettes. Im Gegenteil, manchmal ist es kränkend, was sie sagen oder schreiben. Oder aufrüttelnd. Das war so bei den biblischen. Warum sollte es bei Propheten heute anders sein?
Insofern ist es gut möglich, dass der Schriftsteller Christoph Hein ein Prophet von heute ist. Ich bin nicht sicher, ob er recht hat, aber wenn? Es hat mich aufgeschreckt, was ich bei ihm gelesen habe. Und ich möchte es uns zu denken geben. Christoph Hein schreibt:
Vielleicht ist er nicht der ‚liebe Gott'. Ein lieber Gott kommt in der Bibel nicht vor. Er sei gerecht, heißt es. Aber wenn er uns gerecht behandeln wird, worauf können wir dann hoffen? Welche Strafen haben wir dann zu erwarten?"
Der Ton ist nicht schrill, aber irgendwie bedrohlich, den Christoph Hein anschlägt in seiner Rede. Hein ist Schriftsteller, Jahrgang 1944, 68 Jahre alt, kein jugendlicher Provokateur. Aufgewachsen in Sachsen. Schon in der DDR ein wacher, sensibler Geist. Heute redet er illusionslos zu seiner Generation. Er nennt uns miteinander: ‚Die Älteren' und meint:
Wir haben keine Zukunft, wir, die Älteren, wir werden sterben. Unsere Form des Lebens, unsere Art zu wirtschaften, unser Umgang mit der Natur, unsere Regeln, den Reichtum der Welt zu verteilen - alles das ist zukunftslos.
Zukunftslos, das meint er ganz wörtlich: So wie wir die Welt und unser Lebenshaus bauen, daraus könne keine gute Zukunft wachsen. Das Motto von uns Älteren sei nämlich:
‚Nach uns die Sintflut' und was uns antreibe, sei Habgier, eine Sünde. Und mit ihr bedrohen wir die Erde.
Hoffnung setzt er noch auf die Jungen. Aber nur dann, wenn es ihnen gelingt, einen anderen Weg zu gehen.
Er erinnert mich sehr an biblische Propheten, wenn er schreibt:
Wenn Sie den Mut haben, uns (den Älteren) nicht zu folgen, dann werden Sie auch die Kraft dafür finden. Ich wünsche Ihnen Glück. Machen Sie es besser, bitte."
Ist Christoph Hein ein Prophet?
Ich hoffe, dass er zumindest an zwei Punkten nicht Recht hat:
Der erste: Ich hoffe, dass Gott nicht einfach zuschaut, wie die Erde Opfer menschlicher Habgier wird. Ich hoffe, dass Gott solidarisch ist mit seiner Schöpfung. Und mit den Millionen Armen, die am meisten unter Habgier zu leiden haben.
Und ich hoffe, dass Christoph Hein auch nicht Recht hat, dass ich und Sie - wenn Sie auch zu den Älteren zählen - nichts mehr tun können. Uns nicht mehr ändern. Ich hoffe, wir können es, mit Gottes Hilfe, für die Jüngeren.

Christoph Hein; Worauf ich hoffe; www.zeit.de/2011/01/Neujahrsrede-hein

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14153
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