Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Allerseelen
„In diesem Grab liegt Anich Peter, die Frau begrub man hier erst später. Man hat sie neben ihm begraben, wird er die ewige Ruh´ nun haben?"
Ist das der Scherz eines pietätlosen Comedians zu Allerseelen? Nein. Diese Grabinschrift ist echt. Sie findet sich auf dem Museumsfriedhof von Kramsach bei Kufstein; der weltweit einzige „Friedhof ohne Tote". Angelegt hat ihn Hans Guggenberger. Der Tiroler Kunstschmied sammelt seit vielen Jahren kuriose Grabinschriften aus dem Alpengebiet - die sogenannten „Marterlsprüche". Die meisten stammen aus dem 19. Jahrhundert. So auch dieser: „Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang."
Die Texte verraten einen entspannten Umgang mit dem Tod. In den Bergdörfern starben die Menschen nicht in Krankenhäusern und Altenheimen, sondern zuhause, im Kreis der Familie. Hinzu kam eine deutlich kürzere Lebenserwartung sowie die hohe Kindersterblichkeit. Der Tod gehörte gewissermaßen zum Alltag. Und auch der christliche Glaube trug zur Gelassenheit bei: „Hier liegt Johannes Weindl, er lebte wie ein Schweindl. Gesoffen hat er wie ´ne Kuh, der Herr geb ihm die ew´ge Ruh."
Sehr direkt sind die Grabinschriften formuliert. Manchmal scheint es, als wollte man sich über den Tod lustig machen. Und über die Verstorbenen dazu. Uns kommt das fremd vor. Wir haben den Tod zu einem Tabuthema gemacht. Spätestens beim Sterben hört der Spaß auf.
Nicht so auf dem Kramsacher Museumsfriedhof. Hans Guggenberger erzählt, dass jedes Jahr mehr Besucher kommen. Und die staunen nicht schlecht über den erdverbundenen Humor der Vorfahren. Fragt man Hans Guggenberger nach seinem Lieblingsspruch, muss er nicht lange überlegen: „Hier liegt Martin Krug, der Kinder, Weib und Orgel schlug."

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