Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Reformationstag: Heute vor 495 Jahren hat Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht. An die Kirchentür von Wittenberg soll er sie genagelt haben. Luther wollte damit die vielen Missstände in der Kirche bekämpfen. Er hatte intensiv die Bibel studiert, sich vom Wort Gottes leiten lassen und ist zur Erkenntnis gekommen, in der Kirche muss sich was ändern, sie muss erneuert, reformiert werden.
Vor 50 Jahren, im Oktober 1962, hat Papst Johannes XXIII in Rom das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet. Einer der wichtigen Sätze dieser großen Versammlung der katholischen Kirche heißt: „Ecclesia semper reformanda", zu gut deutsch: die Kirche muss immer wieder erneuert, reformiert werden. Wenn man so will wurde damit das Anliegen Luthers in der katholischen Kirche nicht nur gewürdigt, sondern auch zur beständigen Aufgabe der Kirche selbst erklärt.
„Ziemlich spät" werden vielleicht einige sagen. Das stimmt ohne Zweifel, aber umso größer ist der Schritt zu bewerten, der im Zweiten Vatikanischen Konzil getan wurde.  Und es hat sich seitdem vieles, auch in der Ökumene, getan. Die Zeiten von Feindschaft und Ablehnung sind vorbei. Man betont nicht mehr das Trennende, sondern das Gemeinsame. Wie immer bei solchen großen Umwälzungen gibt es deswegen auch Spannungen. Den einen geht der ökumenische Prozess nicht schnell genug und die andern wollen am liebsten wieder Einiges zurück drehen.
Ich selbst bin in der Kath. Kirche nach  dem Zweiten Vatikanischen Konzil groß geworden. Meine Kontakte und Gespräche mit evangelischen Christinnen und Christen sind mir sehr wichtig und eine ständige Bereicherung für mein Leben. Ein Leben ohne Ökumene kann ich mir gar nicht mehr vorstellen. Und ich freu mich darüber heute am Reformationstag, als Katholik, nicht an einen Herrn Luther denken zu müssen, der böse war und die Kirche gespalten hat. Ein Bild, das lange Zeit in der katholischen Kirche vorherrschte. Sondern ich an einen großen Theologen erinnern darf, der sich mit Leidenschaft und Eifer für die Sache Gottes eingesetzt hat. Solche Menschen brauchen wir in der Kirche, egal ob evangelisch oder katholisch, denn „ecclesia semper reformanda", die Kirche muss immer wieder erneuert werden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14084
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