SWR2 Wort zum Tag

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Diese Frage treibt mich nicht nur im Blick auf unser Land um: „Wie können verschiedene Kulturen und Religionen zusammenleben - nebeneinander und miteinander?“ Für ein friedliches Miteinander wird es bisweilen sehr eng. Vielleicht hilft dabei ein Einstellung zum Anderen, wie sie in einem jüdischen Witz anklingt: Der geht so:

Was macht ein Jude, wenn er auf eine einsame Insel kommt?
Antwort: Er baut zwei Synagogen. Eine, in die er geht und eine andere, in die er nicht geht.

Um jüdische Diskutierfreudigkeit geht es hier nicht – auch nicht um die Vielfalt von Glaubensrichtungen und Traditionen im Judentum. Ich denke, dieser Witz über einen Einsiedler hat eine andere Pointe. Er baut in der Einsamkeit zwei Bethäuser – eines für sich und eines, das er nicht betritt. Wie schnell sind wir Menschen einer Religion, einem Staat, einer Kirche verbunden - einer Gemeinde, einem Sportverein. Den eigenen eben. Dass dem so ist, ist die eine Weisheit des Witzes. Dafür baut der Einsiedler sein eigenes Bethaus – für seinen Kultus, für seine Art zu beten. Die andere Weisheit aber ist die Pointe des Witzes: Der Einsiedler geht nicht nur nicht in die andere Synagoge, sondern er baut sie zuerst selber auf. Absurd für einen Einsiedler – und doch weise für alle Zukunft. Er baut für das Andere, für das Nicht-Eigene - von dem er sich unterscheidet. Davon überzeugt: „Es kann und wird neben mir Andere geben – von mir unterschieden. Ich will den Anderen, den Nicht-Eigenen – von dem ich mich unterscheide - einen Lebensraum eröffnen – selbst, wenn ich es für mich niemals in Anspruch nehme.
Ich kann mir denken, dass die Weisheit dieses Witzes für die Spannungen, die Menschen in Zukunft ausgesetzt sein werden, einen guten Friedensdienst leisten kann. Ich stelle mir vor: in Saudi-Arabien, wo die Bibel ein verbotenes Buch ist, gebe es demnächst einen Bibelladen – privatwirtschaftlich oder gar staatlich gefördert.
Oder: In einem überwiegend christlichen Land, wie Deutschland, gebe es demnächst an öffentlichen Schulen - staatlich gefördert und verantwortet - islamischen Religionsunterricht.
Beides wird dem Frieden dienen – hier wie dort – ganz gleich, wann sich in Saudi-Arabien oder Deutschland etwas in diese Richtung tut.
Ein Einsiedler kann nicht auf Gegenseitigkeit warten. Er tut es von sich aus - das ist der Witz an einem friedlichen Miteinander. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1407
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