SWR2 Wort zum Tag

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Ist der Kerl lebensmüde? Oder riskiert er sein gottgeschenktes Leben, nur für den schnellen Ruhm, für den Nervenkitzel, vor allem für einen Haufen Geld?
Gut eine Woche ist es her, dass der Fallschirmspringer Felix Baumgartner seinen Rekordsprung gewagt hat, vom Rand des Weltraumes aus, nur mit einem Astronauten-Anzug bekleidet und einem Fallschirm auf dem Rücken.
Mich beschäftigt dieser irgendwie verrückte Fallschirmspringer immer noch, weiß immer noch nicht, was ich von ihm halten soll.
Mit seinem waghalsigen Sprung hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, sagt Baumgartner selbst. Aber war das ganze Unternehmen nicht auch grenzenloser menschlicher Größenwahn? Wer darf so für nichts sein Leben riskieren, Gott oder sein Schicksal in dem Maße herausfordern?
Tausende waren live dabei, als Baumgartner gesprungen ist und ihm ein mehrfacher Weltrekord gelang: Noch nie ist ein Mensch aus einer solchen Höhe abgesprungen, noch nie mit Überschallgeschwindigkeit zur Erde gerast, der längste freie Fall. Tausende waren fasziniert von dem offenbar unbändigen Willen dieses Extremsportlers - an die Grenze zu gehen, Grenzen zu überschreiten.
Tausende wären auch live dabei gewesen, wenn Baumgartner tot auf die Erde zurückgekehrt wäre, hängend an einem Fallschirm, den die Kontrollstation vom Boden aus geöffnet hätte. Mediziner und Physiker haben vor dem Sprung genau erklärt, was Baumgartner bei seinem Sprung alles Grausames passieren kann. War das womöglich der Reiz an dem Ganzen, der Reiz des Scheiterns, ein Spiel mit dem Tod? 
Unzählige Interviews hat Baumgartner vor seinem Sprung gegeben: Ja, das Risiko ist enorm, hat er dabei gesagt, aber ich habe mich fünf lange Jahre perfekt vorbereitet! Der Tod springt trotzdem immer mit, das hat Baumgartner auch gesagt. Er hat das Risiko zu sterben, offenbar nicht verdrängt, nicht verdrängen müssen. 
Wieder auf festem Boden hat Felix Baumgartner auch einen leisen, sehr nachdenklichen Satz gesagt: „Manchmal müssen wir wirklich hoch hinaus, um zu sehen, wie klein wir sind." Hat ihn der ungewisse Ausgang seines Wagnisses plötzlich fast schon demütig gemacht? Darf ich mir diesen größenwahnsinnigen Fallschirmspringer deshalb womöglich doch ein bisschen zum Vorbild nehmen? Weil er seinen Lebenstraum mit soviel Elan verfolgt hat, weil er seine geschenkte Begabung, sein Talent so geschickt zu nutzen weiß. Weil er Grenzen überschreitet und doch dabei das Risiko nicht verdrängt? Und schließlich sogar menschliche Demut zeigt. Oder bin ich jetzt nur einem sehr begnadeten Werbestrategen auf den Leim gegangen?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14061
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