SWR2 Wort zum Tag

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 Blasphemie heißt, den Glauben von Menschen lächerlich machen. Das provoziert. Und fordert Reaktionen heraus.
Wie soll in einem modernen, aufgeklärten, säkularen Staat mit Blasphemie umgegangen werden? Diese Frage sorgt für Streit. Eine bemerkenswerte Antwort findet sich im Neuen Testament. In der Apostelgeschichte. Sie erzählt, wie die Freunde und Anhänger Jesu dessen Botschaft weitertragen. In alle Welt. Und so erzählt die Apostelgeschichte auch, wie Paulus nach Athen kommt und dort seinen Glauben verkündet. Die Reaktionen? Manche sagen: „Was will denn dieser Schwätzer?" (Apg 17,18) Und als Paulus gar von der Auferstehung spricht, da wird er ausgelacht (Apg 17,32). Ganz schön harter Tobak. Paulus wird als Person und bezüglich seiner Botschaft, seiner Gottesvorstellung, beleidigt und verspottet. Radikaler kann nur mit körperlicher Gewalt das Subjekt und sein Glaube angefragt werden.
Ich finde bemerkenswert, wie Paulus in dieser Situation reagiert. Mit einer bemerkenswerten Souveränität. Paulus mobilisiert keinen Mob für die Straße. Er lässt auch nicht Athen in Schutt und Asche legen. Und er strengt auch keinen Prozess vor Gericht wegen persönlicher Verunglimpfung oder Blasphemie an. Die Apostelgeschichte berichtet vielmehr lapidar: Paulus „ging aus ihrer Mitte weg." (Apg 17,34) Damit aber endet die Episode nicht. Ihm schließen sich nämlich auch einige Männer und Frauen an und werden gläubig. Für mich liegt der Verdacht nahe: Die Botschaft des Paulus überzeugt - und vor allem die Art und Weise, wie er den Spott erträgt.
Den Spott ertragen, das geht nur mit einer Haltung: Mit der Haltung der Liebe. In einem berühmten Gedicht schreibt eben dieser Apostel Paulus: „Die Liebe erträgt alles" (1 Kor 13,7). Ein Gegenkonzept zur Antike. Die kennt nämlich nur das stoische, das fatalistische Ertragen. Paulus aber fordert dazu auf, das Ertragen zu einer positiven Haltung zu machen. Es ist eine Haltung, die das Anderssein und Andersmeinen des Anderen bewusst erträgt und mitträgt.
Wie kann diese Haltung auf die Diskussion um die Blasphemie übertragen werden? Zum Beispiel, indem der positive Kern von Kritik, Spott und Blasphemie wahrgenommen wird. Ich kann fragen, was in der abwertenden und auch der herabwürdigenden Haltung des anderen an Wahrheit steckt. Kann im Spott mehr über mich, über Gott und die Welt entdecken. Das kann mir helfen, die eigene Position klarer und entschiedener zu formulieren und zu vertreten.
Wie Paulus mit Blasphemie umgeht, könnte deshalb heute für Glaubende aller Couleur Vorbildcharakter haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14053
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