SWR2 Wort zum Tag

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„Von schönen Gegenständen und ihren Besitzern", so lautet der Untertitel eines Buches, das ich wieder mal in die Hand genommen habe. Die „schönen Gegenstände" werden seit 1906 im jüdischen Museum in Prag gesammelt. Sie stammen zunächst aus zwei abgerissenen Synagogen später auch aus dem privaten Besitz deportierter Juden und aus geschlossenen jüdischen Einrichtungen. Und sie erzählen ganz natürlich von ihren Besitzern, von jüdischen Gemeinden und Familien im 19. Jahrhundert.
Im Herbst 1941 sind die ersten Juden aus Prag deportiert worden, drei Tage dauerte jeweils die bürokratische Abwicklung: Zunächst wurden die Menschen zu einer Nummer. Dann wurde diese Nummer zu verschiedenen Schaltern gerufen: „Bei einem wurden die Wohnungsschlüssel abgegeben, beim nächsten die Lebensmittelkarten, beim dritten das restliche Geld, beim vierten Wertsachen, beim fünften Personaldokumente, und beim sechsten mussten verschiedene Fragebögen und Formulare ausgefüllt werden." Eine Treuhandstelle mit mehreren hundert Beschäftigten hat sich dann um die verlassenen Räume gekümmert. Das Inventar wurde sortiert, geschätzt und eingelagert, aber auch repariert und gereinigt. Man hat Inschriften und Monogramme entfernt. In 54 Lagerräumen in der Stadt wurden die Objekte fein säuberlich sortiert aufbewahrt, wie zum Beispiel 13.207 vollständige Küchen- oder Zimmereinrichtungen oder 603 Klaviere.
Aus den eingesammelten Schätzen haben Kunsthistoriker und Museumsfachleute Ausstellungen erstellt, die in verschiedenen Synagogen aufgebaut wurden, allerdings nur von der SS besucht werden konnten. Eine erste Ausstellung hat sich mit hebräischen Büchern und Handschriften befaßt, eine zweite mit jüdischen Festtagen und eine dritte mit der Geschichte der Prager jüdischen Gemeinde. Eine vierte Ausstellung sollte sich mit dem Leben der Juden in Böhmen beschäftigen, sie wurde jedoch nicht vollendet. Denn man hat Fachleute, die sie erstellen sollten, währenddessen deportiert.
Immer wieder erschreckt mich, wie bürokratisch und gründlich die Vernichtung von Menschen geplant und durchgeführt wurde. Und die absurden Geschichten, die sich in diesem Zusammenhang abspielen, bedrücken mich. Da wird ein Museum mehr und mehr erweitert, das mit Hilfe von schönen Gegenständen von Menschen und ihrer Kultur erzählen soll, während diese Menschen gleichzeitig mit der gleichen Sorgfalt verschleppt und getötet werden? Lebendige Menschen werden in den Tod geschickt, und tote Objekte sollen von einem vergangenen Leben erzählen.
„Von schönen Gegenständen und ihren Besitzern" - mit der Geschichte im Hintergrund wird der Titel sehr sperrig. Und zum wiederholten Male wünsche ich mir: „Wie schön wäre es doch, wenn Gegenstände und Besitzer noch da wären, wo sie hingehörten! Wenn beide - ganz selbstverständlich - ein lebendiger Teil unseres Lebens und unserer Kultur wären!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=14051
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