SWR2 Wort zum Tag

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Zu den großen Schätzen christlicher Spiritualität gehören die Gedanken über die Religion von Blaise Pascal, einem wahren Universalgenie. Mit dem scharfsichtigen Blick des Mathematikers geht er an die Themen des alltäglichen Lebens heran, eben auch an die des christlichen Glaubens. Drei Dimensionen  der Wirklichkeit unterscheidet er, drei Ordnungen nennt er das - die  der materiellen Körperwelt, die  des Geistes und die  der Liebe. Alle drei hängen natürlich eng zusammen, und doch liegen jeweils Welten zwischen ihnen. „Aus allen Körpern zusammen kann man nicht einen  (einzigen) kleinen Gedanken hervorbringen. Das ist unmöglich und gehört zu einer anderen Ordnung", betont Pascal. Zwischen beiden besteht ein unendlicher Abstand. Jemand kann z.B.  ein grosser Star  sein  oder Multimillionär,  also ziemlich weit oben in der Skala des Ansehens, aber geistig gesehen doch ein ganz kleines Licht. Umgekehrt kann jemand ein großer Gelehrter sein, aber fürs Alltägliche zwei linke Hände haben und in materiellen Dingen nicht zurecht  kommen. Und dann gibt es eben eine dritte Ordnung, wie Pascal unterstreicht: die Ordnung der Liebe - und die ist wiederum um Welten unterschieden von der materiellen und der intellektuellen Ordnung. Jemand kann z.B. ein sehr großer  Gelehrter sein, auch in der Theologie,  aber deshalb ist er noch lange kein Heiliger. Jemand kann in der Ordnung der Liebe beispielhaft sein wie z. B. Mutter Theresa, ohne von den anderen beiden Ordnungen viel zu verstehen oder zu können: „Das Herz hat seine Gründe, die die  Vernunft nicht kennt", heißt es in einem berühmten Diktum von Pascal. Die Herzenskenntnis, die aus der Liebe kommt,  spielt  in einer anderen Liga als das Wissen, das aus  Analyse und Empirie kommt. Spiritualität ist etwas anderes als Intellektualität, Beten ist nicht denken. Natürlich soll man die drei Ordnungen nicht gegeneinander ausspielen, aber  letztendlich entscheidend ist die Liebe - jene Liebe, mit der der Mensch sich glaubend von Gott lieben lässt und dankbar dann Resonanz gibt - in der Nächstenliebe vor allem.
Kein Wunder, dass  Jesus   für Pascal  zu dieser  entscheidenden dritten Lebensart gehört.  „Jesus Christus (so schreibt Pascal), der keine Güter besessen und in den Wissenschaften nichts vollbracht hat, ist in seiner Ordnung der Heiligkeit. Er hat weder etwas erfunden noch hat er regiert; aber er ist demütig gewesen, geduldig, heilig, heilig, heilig vor Gott, furchtbar den bösen Geistern und ohne Sünde. ...." (Fragment 793).

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