SWR4 Abendgedanken

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Die katholischen Christen gedenken heute der Heiligen Theresa von Avila. Diese Frau hat im 16. Jahrhundert gelebt und ist manchen bekannt, wegen ihrer markigen Aussprüche wie "Wenn Fasten, dann Fasten und wenn Truthahn, dann Truthahn" oder "ich bin ein Weib und obendrein kein gutes." Sie stammt väterlicherseits aus einer jüdischen Familie und hat als Ordensfrau erst ihr Kloster und dann den ganzen Orden reformiert. Und so ist sie auch zu einer Beraterin für viele Männer in der Kirche geworden. Für eine Frau in dieser Zeit schon was Besonderes. Ich finde diese Lebensgeschichte spannend. Und ich mag diese Heilige.

Ein Grund, warum ich sie mag, ist ihre Auffassung vom Beten. Beten ist für sie wie„Verweilen bei einem Freund". Also eher wie ein Treffen mit jemandem, der mich mag, der sich für mich interessiert, dem ich vertrauen kann und der mich auf Augenhöhe behandelt. Und eben nicht so wie früher viele beten mussten:

Aufsagen von auswendig gelernten Texten und einem festen Ritual folgen, bei dem der kleinste Fehler zur Folge hat, dass man Gott beleidigt.

Beten als Verweilen wie bei einem guten Freund. Also: Wie läuft denn so ein Gespräch mit einem Freund bei mir ab? Meistens kommt zuerst die Frage: Wie geht es Dir? Ich erzähle dann, was mich bewegt. Vielleicht stelle ich auch die Gegenfrage: Und Dir?

Wenn mein Freund gut zugehört hat und mich etwas bewegt oder auch ärgert, dann kommt manchmal als nächstes die Frage: Und wieso ist Dir das so wichtig? Und während ich antworte, merke ich, wie ich meine Meinung überdenke und mancher Ärger sich legt, weil ich merke, dass der Anlass gar nicht so wichtig ist. Oder dass ich was persönlich nehme, was vielleicht gar nicht persönlich gemeint ist. Ich verstehe mich selbst besser, wenn mir jemand interessiert zuhört und das verändert meine Stimmung und meine Haltung. Manchmal bringts einfach ein bisschen Gelassenheit, manchmal müssen wir sogar über mich lachen. Selbsterkenntnis beim Reden.

Und wenn das stimmt, was Theresa sagt, dass Beten wieVerweilen bei einem Freund ist, dann müsste das mit Gott ja auch so funktionieren. Ich habe es schon mal ausprobiert und es klappt tatsächlich. Ich kann mit Gott frei von der Leber weg reden, erzählen, was mich freut und ärgert. Und manchmal ist beinahe so, als ob ich ihn dann interessiert fragen höre.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13990
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