SWR2 Wort zum Tag

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In wenigen Tagen jährt sich zum 50. Mal der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dieses Konzil war das wichtigste und hoffnungsvollste Ereignis der neueren Kirchengeschichte. In der letzten Sitzungsperiode, am 28. Oktober 1965, verabschiedeten die Konzilsväter nach einer schwierigen Vorgeschichte ein Dokument mit dem Titel „Nostra Aetate", übersetzt: „In unserer Zeit". Es befasst sich mit dem Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen und öffnet erstmals die Tür zu gegenseitigem Verstehen.
Es ist ein großartiger Text. Jahrhunderte lang hatte die katholische Kirche den Anspruch erhoben, die „allein selig machende Kirche" zu sein. Jetzt schließt sie sich für einen interreligiösen Dialog auf. Sie betont, dass alle Völker eine Gemeinschaft sind, die in Gott ihren gemeinsamen Ursprung und ihr letztes Ziel hat. „Von den verschiedenen Religionen", so sagt dieser Text, „erwarten die Menschen Antwort auf die ungelösten Fragen des menschlichen Daseins": „Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Woher kommt das Leid und welchen Sinn hat es?" Und auch: „Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?"
Das Konzilsdokument „Nostra Aetate" muss heute mehr denn je mit Leben erfüllt werden. Denn die Zeichen stehen derzeit eher auf Konfrontation denn auf Verständigung der Religionen. Wer die interreligiöse Begegnung sucht, mag fast als gutgläubiger Phantast auf verlorenem Posten erscheinen. Ich weiß, dass die Begegnung unter den Religionen nicht leicht ist. Viel Fremdes und Befremdendes steht dazwischen. Auch mangelndes Interesse. Auch politisch gesteuerter Fanatismus. Auch viel Überheblichkeit - auf allen Seiten. Diese Überheblichkeit kann aufklärerisch oder moralisch daher kommen oder auch als religiöser Fundamentalismus.
Und doch gibt es keinen anderen Weg, als das Gespräch zwischen den Religionen zu suchen und zu fördern, wo immer es möglich ist. Es wird in unserer Welt keinen Frieden geben ohne den Frieden zwischen den Religionen.
Der Konzilstext „Nostra Aetate" stellt in die Mitte nicht das, was trennt, sondern das Gemeinsame. Er spricht mit Hochachtung vom Glauben der Muslime. Er betont die tiefe geschichtliche und geistliche Verbundenheit mit den Juden und beklagt die hasserfüllte Gewalt und das furchtbare Leid, das diesen immer wieder auch von Christen zugefügt wurde. Und dieser Text verwirft - so wörtlich - „jede Diskriminierung eines Menschen oder jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner Rasse oder Farbe, seines Standes oder seiner Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13957
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