SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Da haben die Jünger Jesus eines Tages gebeten: Stärke unseren Glauben! Sie hatten offenbar das gleiche Problem wie alle, die glauben wollen: die Erfahrung, dass der Glaube schwach und brüchig ist. Wer wünschte da nicht, dass sein Glaube stärker wird! Jesu Antwort auf die Bitte der Jünger ist provozierend: Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, so könntet ihr zu dem Maulbeerbaum hier sagen: Reiß dich aus und verpflanz dich ins Meer; und er würde euch gehorchen. Ein Senfkorn ist klein; man sieht es kaum, es trägt aber eine große Kraft zum Wachstum in sich. Groß ist auch die Kraft des Senfkornglaubens. Man kann mit ihm Bäume ausreißen! Ihm ist viel, ja alles möglich! - Wie soll man das verstehen, wenn man immer wieder Mühe hat zu glauben, wenn einen Zweifel bedrängen, wenn es einem schlecht geht und die Kraft zum Vertrauen fehlt, wenn also der Glaube klein und schwach ist? Wo liegt der Unterschied zwischen dem kleinen, schwachen Glauben und dem kleinen Senfkornglauben?
Es hilft mir, wenn ich mir klar mache: Mein Glaube muss offenbar nicht stark sein, wie ich es, ähnlich wie die Jünger damals, meine und wünsche. Ich brauche nicht ständig auf meine Erfahrungen und Gefühle zu schauen, nicht auf die immer wieder aufkeimenden Zweifel. Ich soll mir nicht immer, wie es der Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal sagt, den Puls meines geistlichen Lebens fühlen. Ich bin nicht angewiesen auf immer größere Glaubensleistungen. Ich kann meinen Blick weg von mir wenden und auf den schauen, an den ich glauben möchte. Wie das geht, zeigt vielleicht am schönsten die Geschichte vom Vater eines epileptischen Jungen. Der Vater hat Heilung für seinen Sohn gesucht und nur die Jünger angetroffen. Und denen war eben nicht alles möglich; sie konnten nicht helfen. Dann wendet er sich an Jesus. Der fragt nach seinem Glauben. Die Antwort des Vaters, die er in seiner Verzweiflung herausschreit, ist: Ich glaube; hilf meinem Unglauben. Mit dieser Bitte verlässt er sich selbst und klammert sich mit seinem schwachen Glauben an Jesus. Für seinen Sohn und sich selbst erwartet er alles von ihm. Und ihm wird geholfen.
Was ist also der Unterschied zwischen einem Glauben, der stärker werden will, und dem Senfkornglauben? Wenn ich einen noch immer größeren und stärkeren Glauben suche, schaue ich auf mich, auf meine Schwäche und mache Gott klein. Mit dem kleinen Senfkornglauben schaue ich auf Gott, auf seine Stärke und seine Möglichkeiten - und mache Gott groß.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13904
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