SWR4 Sonntagsgedanken RP

SWR4 Sonntagsgedanken RP

Für's Beten bin ich zuständig. Sagen die Leute. Schließlich bin ich Pfarrer. Etwa als wir den letzten Waldgottesdienst vorbereitet haben. Wir hatten gründlich geplant. Viele haben beim Aufbauen mit angepackt. Es war alles gerichtet. Nun haben wir nur noch schönes Wetter gebraucht.
„Dafür sind Sie zuständig, Herr Pfarrer. Sie haben doch den guten Draht nach oben", hat einer gemeint. Und die anderen haben zustimmend genickt.
Ja, ich bete. Ich bete auch für gutes Wetter. Aber wenn ich Ihnen mal was verraten darf: Manchmal habe ich da auch meine Zweifel. Beten kann ja bestimmt nicht schaden. Aber, ob dann wirklich eintrifft, worum ich bitte?
Ich bete. Aber manchmal rechne ich gar nicht wirklich damit, dass es hilft. Dass sich durch mein Beten etwas ändern könnte an einer festgefahrenen Situation oder an einer Krankheit oder in einer Notlage. Da bete ich. Schließlich bin ich Pfarrer. Aber rechne ich dann wirklich damit, dass sich was ändert? Anderen geht es ähnlich, glaube ich. Die geben das Beten dann vielleicht einfach auf.
Ich möchte Ihnen dazu eine Geschichte erzählen - aus der Bibel. Eine Geschichte von Leuten, die anscheinend auch nicht geglaubt haben, dass ihr Beten wirklich hilft. Und eine Geschichte von Petrus. Der war einer der engsten Freunde von Jesus und hat nach Jesu Tod zum Leitungsteam der ersten Christengemeinde gehört.
Weil die Christen damals als unzuverlässige Bürger galten, wurde Petrus gefangen genommen. Das Urteil stand schon vorher fest: Tod. Wenn wir den Anführer dieser Christen ausschalten, wird man sich gedacht haben, dann wird sich die Christengemeinde bald ganz auflösen.
Petrus wurde also in den Kerker geworfen. Aber nicht einfach eingeschlossen in eine Zelle. Er wurde in Ketten gefesselt und bewacht von einer ganzen Mannschaft von Soldaten.
Und seine Freunde, die anderen Christen? Die haben dem Petrus geholfen mehr als sie ahnen. In der Bibel lesen wir an dieser Stelle: „Die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott."
Die ganze Nacht haben sie gebetet. Gefleht, dass Gott ein Wunder tun möge. Dass Gott den Petrus rettet.
In dieser Nacht hat Petrus Besuch bekommen. Im Kerker. Trotz Besuchsverbot.
Was nun passiert, hat Petrus kaum wahrgenommen. Der Besucher hat ihm aufgeholfen. Die Ketten sind abgefallen. Die Zelle hat sich geöffnet. Und von all dem haben die Wachen nichts mitbekommen.
Petrus glaubte zu träumen. Aber das eiserne Tor hat sich geöffnet. Petrus stand in einer Gasse der Stadt. Und der Retter war verschwunden. Für Petrus war klar - das muss ein Engel gewesen sein. Wie sonst wäre das möglich gewesen?
Erst jetzt ist bei ihm der Groschen gefallen: „Es ist wahr. Ich habe nicht geträumt. Gott hat mir seinen Engel geschickt. Ich bin frei!"

Petrus ist frei gekommen aus dem Gefängnis. Natürlich ist er zu einem der Häuser gegangen, in dem sich die Christen zum Beten versammelt hatten, und hat an die Tür geklopft.
Erschrocken haben sich die Christen angeschaut. Wer klopft? Mitten in der Nacht? Solda­ten? Eine Razzia? Wollen die uns holen?
Gerade eben noch haben sie gebetet, dass Petrus aus dem Gefängnis gerettet wird. Aber anscheinend hat niemand wirklich damit gerechnet, dass Gott das Gebet erhört. Mit allem haben sie gerechnet - aber nicht damit, dass Petrus vor der Tür stehen könnte.
Die Sklavin des Hauses wurde an die Tür geschickt. Sie hat Petrus gesehen. Und erschrocken hat sie ihm die Tür wieder vor der Nase zugeschlagen, ist zurück gerannt ins Haus: „Da draußen steht Petrus."
Keiner wollte ihr glauben. „Unmöglich. Das kann nicht sein. Der sitzt im Gefängnis. Du hast ein Gespenst gesehen."
Ist das nicht verrückt? Die halten es für wahrscheinlicher, dass ein Gespenst vor der Tür steht, als dass Gott ihre Gebete erhört.
Petrus musste noch mal klopfen. Energischer. Dann wurde er eingelassen. Brühwarm hat er erzählt, wie er frei gekommen ist, wie Gott das Gebet der Versammelten erhört hat.
Ich weiß ja nicht, wie Sie das sehen: Mir macht diese Geschichte Mut. Sie macht mir Mut, das Beten nicht aufzugeben - auch wenn ich mir manchmal nicht wirklich vorstellen kann, dass sich was ändern wird.
Manche sagen ja, dass Gott nur so viel tut, wie wir ihm zutrauen, wie wir von ihm erwarten. Diese Geschichte zeigt: Gott tut mehr. Viel mehr. Über unser Bitten und Verstehen.
Darum will ich weiter beten. Auch wenn ich es manchmal nicht glauben kann, dass Gott meine Gebete erhört.
Ich will konkret beten. Für das Wetter zum Beispiel. Oder dafür, dass ein Kranker gesund wird. Ich will mich nicht in Allgemeinheiten verlieren, sondern Gott mit meinen Anliegen in den Ohren liegen.
Ich gebe zu: Manchmal ist auch mein Glaube klein und rechnet nur mit dem, was uns Menschen möglich scheint. Aber die Geschichte von Petrus und seinen betenden Freunden sagt mir: Gott kann mehr.
Ja, ich weiß: Ich kann Gott nicht vorschreiben, was er tun soll. Gott ist Gott und kein himmlischer Flaschengeist, der mir meine Wünsche auf wundersame oder wunderbare Weise erfüllen muss.
Aber dieses Wissen muss mich ja nicht davon abhalten, auf Gott zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass Gott für mich sorgt, dass Gott mein Beten hört und tut, was am Ende gut für mich ist.
Eins ist auf jeden Fall klar: Trotz aller Bedenken. Trotz aller Zweifel. Wer ganz auf das Beten verzichtet, der wird auch nie die Erfahrung machen, dass Gott Gebet erhört - wenn auch vielleicht anders und oft über das hinaus, was ich mir vorstellen kann.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13841
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