SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Kränkungen können heilsam sein. Ich weiß das und trotzdem tue ich mich manchmal schwer, sie anzunehmen. Kritik z. B. Nicht, dass Kritik unsereinen nicht erreicht. Im Gegenteil. Sie erreicht und trifft. Es perlt nicht ab, wenn man mir sagt, diese Ansprache war schlecht. Oder: ‚Du hast Dich falsch verhalten'. Und wenn Kritik von Menschen kommt, die ich ernst nehme, geht sie unter die Haut und wird zur  Kränkung.
Ich bin leicht versucht, mich gegen Kritik immun zu machen, mich zu rechtfertigen oder zurück zu kränken. Bleibt nur zu hoffen, dass ich mich ihr nach einer Weile doch öffne.
Ich bin dann immer ganz froh, wenn ich mich erinnere: Kränkungen können heilsam sein. Wenn man sie lässt und ihnen auf den Grund geht.
Kränkungen sind wichtig. Sie geben wichtige Hinweise. Bei Krankheiten ist das ähnlich. Auch sie können hinweisen auf falsche Lebensweisen. Können, müssen natürlich nicht.
Trotzdem: Auch eine Erkrankung kann - wie eine Kritik, die zuerst einmal kränkt - ein Hinweis darauf sein, seine Lebensweise zu prüfen und evtl. zu ändern. Auch eine Erkrankung kann eine heilsame Kränkung sein.
Aus eigener Erfahrung: Es ist klug, gegen Rückenschmerzen nicht nur mit Schmerzmitteln anzugehen. Das greift zu kurz. Es ist klug, nicht zufrieden zu sein, wenn die Schmerzen weniger werden. Ich würde so die Chance ausschlagen, gründlicher zu gesunden:
Gründlicher gesunden heißt: die Lebensmuster erkennen, die krank machen und versuchen, sie zu revidieren. Insofern bin ich wirklich überzeugt: eine Krankheit kann nicht nur heilen, im Sinn von vorübergehen, sie kann auch heilsam sein.
Und darin ähnelt sie einer Kritik, die mich erst kränkt, mich dann aber doch weiterbringt, weil ich mich ihr stelle.
In der Bibel wird dieser Gedanke noch vertieft:
Da heilt Jesus z. B. einen Mann, der über Jahrzehnte immer unbeweglicher geworden ist. Jesus gelingt es, ihn aus seiner völligen Lethargie zu erlösen. Eigentlich könnte die Geschichte mit dieser Gesundung zu Ende sein. Aber Jesus gibt dem Geheilten noch den Rat mit: „Sündige hinfort nicht mehr." Ich verstehe das so: Heilsam wirkt eine Gesundung, wenn man danach nicht ins alte Lebensmuster zurückrutscht, sondern wenn man sie als Geschenk Gottes für besseres Leben ergreift.
Und so ist es auch mit der Kritik, die erst kränkt und dann zur Einsicht bringt. Heilsam wird sie, wenn daraus was Neues wird. Insofern müsste man besonders auf die Kritik achten, die kränkt. Sei es Kritik an einem persönlich oder auch an uns als Gesellschaft. Solche Kränkungen können heilsam sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13825
weiterlesen...