SWR2 Wort zum Tag

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Kennen Sie Annaberg? Annaberg liegt im Erzgebirge. Vor kurzem war ich dort und habe die Stadt ein bisschen kennen gelernt. Hab die typischen Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge bewundert, gut, manche fand ich auch ein wenig kitschig.
Ich war in der größten Kirche und war verwundert, warum eine Stadt von 20.000 Einwohnern so eine große Kirche hat. Und nachdem ich im Internet ein bisschen über die Geschichte von Annaberg gelesen habe, bin ich mit zwei Einsichten weggefahren.
Erstens: Wenn es einem wirtschaftlich gut geht, ist das nicht primär mein Verdienst, sondern Grund dankbar zu sein. Weil es vor allem davon abhängt, ob ich zu einer günstigen Zeit und an einem glücklichen Ort auf die Welt gekommen bin.
Vor 500 Jahren war man als Annaberger wirtschaftlich auf der Sonnenseite des Lebens. Annaberg war größer als Leipzig oder Dresden. Dank des Silberbergbaus eine der größten und reichsten Städte Deutschlands. Hat viele Menschen angezogen, z. B auch einen der größten Mathematiker seiner Zeit, Adam Ries.
Aber der wirtschaftliche Wohlstand war auch in Annaberg nur Gast auf Zeit. Vor 350 Jahren war ein Annaberger so arm wie heute ein Kleinbauer in Guatemala. Glücklicher war man erst wieder vor 150 Jahren. Und auch heute spürt man den Wandel. Zur Zeit wieder mehr zum Guten.
Z. B. wenn man in die St. Annenkirche kommt. Ihr verdanke ich meine zweite Einsicht: Solidarität macht glücklich. Woher diese Einsicht?
Die Kirche stammt aus der wirtschaftlichen Hochzeit Annabergs. Eine große spätgotische Hallenkirche. Besonders schön finde ich den Bilderbogen, der die Emporen ziert. Ringsum, über drei Viertel des Kirchenschiffs reiht sich eine Szene aus der Bibel an die andere. Liebevoll restauriert wie die ganze Kirche.
Dabei hatte mir eine Kollegin, die aus dem Erzgebirge stammt, vorher erzählt, wie kaputt alles vor 25 Jahren war: Die Bemalungen kaum noch zu erkennen. Nach der Wende konnte vieles gerettet werden, was sonst unwiederbringlich verloren wäre.
Dabei habe ich mich in den letzten Jahren immer mal gefragt: Muss das sein mit dem Solidaritätsbeitrag? Immer noch?
Jetzt bin ich mit einem guten Gefühl aus Annaberg weggefahren. Vielleicht können Sie das verstehen? Ich hatte einen sehr schönen Tag in einer Stadt, die wieder aufgeblüht ist. Und ich habe mein Teilchen dazu beigetragen.
Ich kann es nicht anders sagen: Solidarität macht glücklich. Oder wie Jesus gesagt hat: ‚Wenn ihr teilt, erfüllt ihr mein Gesetz.' Ich glaube, Teilen ist ein unschätzbarer Wert, auch weil wirtschaftlicher Wandel so sicher ist wie das Amen in der Kirche.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13824
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