Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Gehört Ihnen die Maus?" fragt ein junger Mann und tritt zu mir in den Vorgarten. Dort bin ich grade am Heckenschneiden. Lasse die Schere sinken, ein bisschen unwillig über die Störung. Wie? Eine Maus?
„Ja, sagt er und zeigt auf die Straße. Ich glaub, die Maus da hat was am Bein." Und tatsächlich, da hoppelt eine Maus auf drei Beinen mitten auf die Straße und bleibt sitzen. Mit Herzrasen. Meine Katze, eben noch unter der Hecke, stellt sich in Position. Du könntest das Problem lösen, denke ich und sehe zu, wie der junge Mann ein Auto um die Maus herum dirigiert.
„Wir können die Maus doch nicht ihrem Schicksal überlassen!" meint er. Da kommt schon ein Mädchen mit Schnuller im Mund angerannt und ruft: „Mami, Omi, guck mal, eine Maus!" - „Ja, aber nicht anfassen!" rufen die beiden und kommen näher.
Jetzt stehen wir also zu fünft um die Maus rum. Mitten auf der Straße. Das Mädchen ist entzückt, der junge Mann macht sich Gedanken, wie man ihr helfen kann. Wir Frauen schauen zu.
In anderen Ländern lässt man Katzen und Hunde auf der Straße krepieren, denke ich. Und lässt Menschen mit einem kranken Bein einfach so liegen. Niemand kümmert sich, keiner hat ein schlechtes Gewissen beim Vorbeigehen. Und wir stehen hier zu fünft um eine Maus.
„Na, dann hol ich mal einen Schuhkarton, sage ich zu dem Mädchen und nehme meine Katze mit. Der junge Mann zückt sein i-Phone und ruft das Ordnungsamt an. Nach einer Weile kommt er zurück und meint: die schicken die Feuerwehr vorbei. Das Mädchen jubelt.
Und während wir aufs Feuerwehrauto warten, stellen wir uns mal gegenseitig vor. Ach, Sie wohnen da drüben? Hab ich gar nicht gewusst. Interessant. Die Maus machts möglich.
Und dann kommt tatsächlich ein Feuerwehrauto. Der Feuerwehrmann nimmt die Maus samt Karton in Empfang. „Die setze ich im Feld aus, meint er. „Aber sie hat ein krankes Bein" ruft das Mädchen."-„ Na dann bringe ich sie ins Tierheim." Sprichts und fährt davon.
Was verrückt! Nur wegen einer Maus. Aber vielleicht haben wir einfach nur mal erleben dürfen, was das ist: Respekt vor dem Leben.

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