SWR3 Gedanken

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 Das Leben dauert nicht ewig. Das ist ja bekannt. Und trotzdem ertappe ich mich dabei, wie ich das immer wieder verdränge. Der amerikanischen Künstlerin Candy Chang ging es auch so. Den Tod hatte sie eigentlich nicht so richtig auf der Rechnung. Bis ein guter Freund von ihr gestorben ist. Das hat sie umgehauen. Und dann hat sie damit angefangen, diesen Tod auf ihre ganz spezielle Weise zu verdauen. Mit Kunst. Genauer gesagt: mit öffentlicher Kunst zum Mitmachen.
Candy Chang hat in New Orleans schwarze Tafeln an ein verlassenes Haus gehängt. Darauf hat sie ganz oft untereinander mit einer Schablone den Satzanfang gesprüht: „Before I die, I want to...", also „Bevor ich sterbe möchte ich noch... Punkt Punkt Punkt". Unter die Tafeln hat sie noch ein paar Plastikboxen mit bunter Kreide gehängt und gewartet was passiert. 
Die Idee ist aufgegangen: Nachbarn und Passanten haben die Aufforderung verstanden und munter drauf los geschrieben. Aus den Tafeln sind so richtige Kunstwerke entstanden. Und als es sich herumgesprochen hatte, sind Menschen von überall her gekommen, um mit bunter Kreide über ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen zu schreiben. Mittlerweile gibt es solche interaktiven Hauswände auch in Amsterdam, London, Lissabon und anderen Städten. Und da stehen ganz viele unterschiedliche Sachen: witzige, belanglose oder auch tiefsinnige Antworten. Zum Beispiel: Bevor ich sterbe möchte ich mit einem Alien frühstücken, ... sehen wie ich als alter Mann aussehe, ... ohne Geld leben. Bevor ich sterbe möchte ich sie noch einmal im Arm halten. Ich möchte ganz ich selbst sein. Ich möchte verstehen warum ich hier bin. 
Das finde ich bemerkenswert: Candy Chang wollte eigentlich nur den Tod ihres Freundes verstehen und verkraften. Dabei hat sie ganze Massen dazu angeregt, über den Tod und letztlich auch über das Leben nachzudenken. Mich übrigens auch. Was möchte ich denn im Leben noch erreichen?

 

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