SWR3 Gedanken

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Ein Sommer-Sonntag in Baden-Baden. Im schattigen Park vor dem Kurhaus steht eine hundert Meter lange Tafel. Schön gedeckt mit Stofftischdecken, silbernen Kerzenleuchtern und Blumen. Menschen kommen hierher zum Mittagessen. Es gibt leckere Gerichte von den Spitzenköchen der Stadt: karamellisierte Kalbsbäckchen zum Beispiel. Oder Variationen vom Lachs. Es ist Traumwetter, man trifft sich, rückt zusammen, lässt es sich gut gehen.
Ich als Theologe bin da ja schon ein bisschen verdorben. Als ich so an dem üppig gedeckten Tisch und den vielen freundlichen Menschen vorbeilaufe, fällt mir nicht etwa eine Königshochzeit oder irgendein Filmausschnitt ein, sondern eine Bibelstelle. Bei Jesaja heißt es: „Der Herr wird für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen." Das ist eine Vision des Propheten vom Ende aller Zeiten, wo Gott alles zum Guten führen wird. Jesaja verwendet dafür das Bild eines Festmahls.
Wenn ich mir da die lange Tafel vor dem Baden-Badener Kurhaus so anschaue, dann denke ich zuerst: da sind wir ja schon ganz nah dran an der Vision. Dann fallen mir aber die zwölf Euro ein, die ein Gericht kostet. Das kann sich nicht jeder leisten. Aber immerhin: Das Geld kommt zu 100% dem Tafelladen der Stadt zu Gute und damit auch wieder den Bedürftigen. 
Die Restaurants und ihre Spitzenköche stellen die Gerichte und die Infrastruktur an diesem Mittag kostenlos zur Verfügung. Über 150 ehrenamtliche Helfer sind im Einsatz, räumen Geschirr ab oder geben Getränke aus. Dadurch kommen fast 20.000 Euro für die Bedürftigen zusammen. Also ist da vielleicht doch schon ansatzweise etwas von Jesajas Vision spürbar.
Das Festmahl in Baden-Baden war allerdings schon um 14.00 Uhr vorbei. Jesaja verspricht es uns auf ewig. Und er legt noch eins drauf zum Thema Leid und Tod. Jesaja schreibt nämlich weiter: „Der Herr beseitigt den Tod für immer. Er wischt die Tränen ab von jedem Gesicht."

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