Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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die es gut mit uns meint

Ein schlechtes Gewissen bekamen die Menschen früher, wenn sie in die Kirche gingen und der Pfarrer ihnen vorhielt, was sie alles falsch gemacht haben. Heute bekommen sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie in der Zeitung lesen. Zum Beispiel, dass sie mit jeder Autofahrt den Klimawandel anheizen. Oder dass die Kleider, die sie tragen, von Kindern hergestellt wurden. Oder dass der Kaffee, den sie trinken, von ausgebeuteten Bauern angebaut wurde. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Zahl der Nachrichten, die uns ein schlechtes Gewissen machen, ständig zunimmt. Schön ist das nicht. So ein schlechtes Gewissen ist ein ganz unangenehmes Gefühl. Man hat den Eindruck, dass man alles falsch macht. Es kann so weit gehen, dass man sich von seinem eigenen Gewissen tyrannisiert fühlt. Dabei ist das Gewissen eigentlich eine Stimme, die es gut mit uns meint. Es ist eben nicht zu verwechseln mit dem schlechten Gewissen, das uns jemand einreden will. Das passiert leider immer wieder, hat aber mit dem Gewissen im eigentlichen Sinn gar nichts zu tun. Das Gewissen ist die Stimme in uns, die uns zu besseren Menschen machen will. So, wie es auch ein guter Freund oder eine gute Freundin machen, die es gut mit uns meinen. Die Stimme des Gewissens will uns nicht fertig machen. Sie erinnert uns aber immer wieder daran, dass wir besser sein könnten, als wir sind. Das ist natürlich nicht immer angenehm. Wir sind nun einmal Menschen, die oft nur die eigenen Interessen im Blick haben. Das Gewissen hilft uns, nicht nur auf den eigenen Vorteil zu schauen. Es bringt uns dazu, uns in andere hinein zu fühlen, sozusagen über uns hinaus zu wachsen. Der Philosoph Schelling hat das einmal so formuliert: Das Gewissen ist der einzige offene Punkt im Menschen, durch den der Himmel herein scheint. In diesem Sinne ist das Gewissen ein großartiger Teil unserer Persönlichkeit.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=13731
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